Freitag, 11. Oktober 2019

Widerstand ist zwecklos...

Sie werden assimiliert!

Wenn Sie diesen Spruch kennen, sind Sie wahrscheinlich ein "Trekkie", also ein Fan der Science-Fiction-Serie Raumschiff Enterprise. Für alle anderen, muss ich ein bisschen ausholen, und erklären, warum mich dieses Zitat letzte Woche verfolgte.



























Was Sie hier sehen, ist nur ein kleiner Ausschnitt eines stillgelegten Hüttenwerks in Duisburg. Es ist Teil des 180 Hektar großen Landschaftsparks Duisburg-Nord ("LaPaDu"), der als einer der zehn besten Stadtparks der Welt gilt. Ich kenne die anderen neun nicht, aber von meiner Seite aus: klares JA. 

Der Besuch dieser Anlage war das Highlight eines viertägigen Fotoworkshops, über den ich im Fotonanny-Blog noch mehr erzähle. Für eine Münchnerin, die sonst Motive wie das Oktoberfest, Schloß Neuschwanstein, Berge und Seen vor die Linse bekommt, sind Industrieanlagen absolutes Neuland. Es war nicht nur aus fotografischer Sicht interessant, es war insgesamt beeindruckend.


Allein die Größe der Rohre lässt Menschen auf Zwergengröße schrumpfen. Die überschaubare Anzahl an Besuchern verlor sich regelrecht im Bauch der Maschine. Das war der Moment, in dem mir die "Borg" aus Raumschiff Enterprise in den Sinn kamen. Diese bedrohliche Maschinen-Spezies reist in monströsen, kubusförmigen Klötzen durchs Universum und "assimiliert" alles, was ihr in die Quere kommt. Während ich mich treppauf, treppab durch die verwinkelten und teilweise düsteren Korridore bewegte, kam ich mir vor wie in einem dieser Borg-Raumschiffe.





























In Star Trek werden Menschen von den Borg gefangengenommen und an deren riesige Maschinen angeschlossen. Die Nischen, in denen die Schauspieler in der Serie stehen, dürften visuell solchen Hochöfen nachempfunden sein. Das war ein bisschen gruslig, aber auch faszinierend, wie Mister Spock sagen würde.

Von diesen rostigen Maschinen geht keine Gefahr mehr aus. Die insgesamt fünf Hochöfen produzierten zwischen 1901 und 1985 37 Millionen Tonnen Spezialroheisen – in der Regel als Vorprodukt für die Weiterverarbeitung in den Thyssen’schen Stahlwerken. (Wikipedia) Heute sind die Überbleibsel der Anlage eine Art Abenteuerspielplatz für Erwachsene: Hier findet man das größte Indoor-Tauch- und Ausbildungszentrum Europas, und einen Hochseil-Klettergarten. Im Rest der verschachtelten Anlage können sich die Besucher frei bewegen, und über gut gesicherte Treppen bis auf einen der Türme steigen - der Eintritt ist frei. Der zweite Turm ist für die Hochseil-Kletterer reserviert. Hinter und neben den riesengroßen Bauten gibt es Durchgänge und Bunker mit Kunstinstallationen und immer wieder Orte, an denen sich die Natur neuen Raum verschafft. An allen Ecken und Enden sieht man (Hobby)Fotografen mit faszinierend verkleideten Fotomodellen beim Fotoshooting. Lediglich die gastronomische Versorgung ist noch ausbaufähig, aber da sind wir Münchner extrem verwöhnt. Eine Million Besucher im Jahr im LaPaDu sind nichts im Vergleich zu sechs Millionen beim Oktoberfest... Currywurst und Pommes bekommen Sie auf jeden Fall, überall und immer wieder, und deutlich günstiger als hier.  😉

Es ist für mich schwer vorstellbar, dass hier einmal viele Menschen unter schwersten Bedingungen gearbeitet haben. Ob Kohle oder Stahl: die harten Jobs und diese irrsinnig anmutenden Anlagen verschwinden seit Jahrzehnten. Sie sind hierzulande unrentabel und ökologisch nicht mehr sinnvoll, darum werden sie einfach plattgemacht. Damit verschwinden nicht nur die Arbeitsplätze, sondern auch ein Stück Kulturgeschichte. Als Besucher bekommt in so einem Monstrum man wertvolle Einblicke, vor allem aber ein Gefühl für die großen Dimensionen: Vergessen Sie das Deutsche Museum. 

Im Ruhrgebiet kann man sich an einigen Stellen auch davon überzeugen, dass der vielzitierte und gefürchtete Strukturwandel positive Seiten hat. Es dauert, bis man diese Effekte sieht, aber mittlerweile sind viele Leute im "Ruhrpott" stolz, wenn Touristen kommen und sich für ihre Region interessieren. Natürlich sind viele ehemalige Anlagen nicht mehr im Originalzustand, werden als Museen und für Events genutzt. Anders lässt sich der hohe finanzielle Aufwand für ihre Erhaltung nicht stemmen. Es lohnt sich trotzdem! Wir haben in vier Tagen verschiedene Zechen und Industriedenkmäler besucht, und es waren sehr abwechslungsreiche Tage. Die "Route der Industriekultur" ist eine 400 Kilometer lange Ferienstraße. Wer die gefürchteten Staus umgehen will: es gibt auch 700 km Radwege. Natürlich sieht es dort nicht aus, wie am Königssee, dafür erlebt man eine ganz eigene Art von Landschaftsarchitektur.


Falls Sie Lust bekommen haben, sich den Landschaftspark selbst einmal anzuschauen: planen Sie einen vollen Tag dafür ein, vielleicht auch mehr. Im Winter kann man aus Sicherheitsgründen nicht auf den Türmen herumklettern. Auch für die "Lost Places" mit ihrem wuchernden Grün sind Frühjahr bis Herbst optimal für einen Besuch.

Die Zeche und Kokerei Zollverein (Unesco Weltkulturerbe) gehören natürlich auch auf die Liste der sehenswerten Orte. Besonders schön ist die rekonstruierte und eher museale Zeche Zollern mit ihren vielen Jugendstil-Elementen, die ich mir für den Fotonanny-Blog aufhebe.

Last but not least: Die bunten Goldfische habe ich nicht im LaPaDu fotografiert, die schwammen in einem Becken hinter der Kokerei Hansa in Dortmund. Da hätte ich sie nicht erwartet! Sie waren schwer enttäuscht, dass wir kein Futter mitgebracht hatten. Nächstes Mal bestimmt.





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