"Ich lasse mir einen Amazon-Katalog auf Papier ausdrucken", sagt mein Mann unvermittelt. "Das wär' doch was. Wieviele Seiten der wohl hätte?"
Ich schaue ihn erstaunt an. Normalerweise bin ich diejenige, die solche Ideen herausposaunt.
"Ein Telefonbuch wird nicht reichen", sinniert er weiter.
Bestimmt gibt es eine App, mit der man den Materialbedarf ausrechnen könnte, denke ich, aber das Handy meines Mannes ist fünfzehn Jahre alt, und weiß gar nicht, was eine App ist.
"Die Amazons könnten ihre Verpackungskartons wieder einsammeln, und darauf dann ihren Katalog drucken", schlage ich vor. "Ein Exemplar pro Haushalt, frei Haus, in recyclingfähigem Plastik verschweißt. Falls das Internet und der Strom ausfallen kann man bei Kerzenschein schön im Katalog blättern. Ganz wie früher, bei Otto, Quelle und Neckermann."
Als hätte uns das TV-Gerät belauscht, flimmert ein Beitrag über den aktuellen Rohstoffmangel über den Bildschirm. Wir lernen: Papier und Pappe sind gerade echt knapp.
"Komisch", sage ich. "Pappe und Papier sind Mangelware? Bei uns liegt das Zeug massenhaft in der Papiertonne. Sollen wir denen mal Bescheid sagen? Vielleicht kriegen wir Finderlohn."
Den brauchen wir auch, bei der aktuellen Inflationsrate. Wir lernen, dass der Preis für das Windlicht Louisiana XXL von 99,- auf 189,- Euro gestiegen ist.
"Mist!", rufe ich, "genau das wollte ich gerade bestellen. Es ist wirklich eine Schande. Hoffentlich lassen sie die Atomkraftwerke weiterlaufen, sonst sitzen wir nächstes Jahr bei Kälte im Dunklen und haben kein Windlicht, um die Amazon-Katalogseiten zu beleuchten."
"Ich ruf da jetzt an", sagt mein Mann.
"Wo?"
"Bei Amazon. Die sollen mir ein Atomkraftwerk schicken."
"Ja, aber sag denen auch gleich, dass sie es nicht in China fertigen lassen sollen!"
"Warum?"
"Mal gibt es in den Herkunftsländern wie in China keinen Strom, mal sind
die Rohmaterialien wahnsinnig teuer geworden. Mal ist die Fracht
unglaublich teuer. Und aus dieser
Gesamtheit wird es eben fürchterlich teuer", tönt es aus dem Fernseher. "Das merken die Kunden dann ab Januar: Plus 25 Prozent im Durchschnitt."
"Weißt du was?", sage ich, "wir bestellen das Kraftwerk gleich jetzt, am Black Friday, dann haben wir es schon mal - zum Schnäppchenpreis. Nächstes Jahr verkaufen wir dann unseren überschüssigen Atomstrom an der Strombörse und gleichen damit die Inflationsrate aus."
"Geht nicht", sagt mein Mann.
"Wieso?" Ich fand die Idee so super und auch so innovativ.
Er schüttelt bedauernd den Kopf: "Das Kraftwerk gibt's nur im gedruckten Amazon-Katalog."
Siehe auch: Weiße Ostern, Mandarinen-Ente, Himmelsschlüssel, Unfug, Zeitgemäß, Pass auf, was Du denkst...!, Hundrose im Hundswetter, Smiley ToGo, Nonsens, Erntedankschnäppchen