Dass mein Mann gerne Playstation spielt, hatte ich an anderer Stelle schon erwähnt. Das war anlässlich einer kuriosen Begebenheit mit der Helikopter-Waschmaschine. Wenn Sie keinE ZockerIn sind, dann verstehen Sie wahrscheinlich nicht, warum sich halbwegs intelligente Menschen überhaupt für Videospiele interessieren. Das ist nur etwas für halbwüchsige Stubenhocker, für Nerds, meist männlichen Geschlechts, die von den brutalen Ballerspielen süchtig werden, und irgendwann Amok laufen. So ungefähr lässt sich das gängige Vorurteil zusammenfassen. Richtig ist, dass es in den typischen Konsolenspielen darum geht, böse Buben oder Monster zu töten, und von denen gibt es jede Menge. Es wird viel geballert und gemeuchelt. Dazwischen laufen Videosequenzen mit einer "Story", die mal mehr, mal weniger interessant ist. Diese Sequenzen erzählen die Rahmenhandlung zwischen den verschiedenen Missionen, und erklären, was als nächstes zu tun ist. Als SpielerIn befindet man sich in einer Art interaktivem Film. Das ist oft spannender als ein Blockbuster, und kann sogar gut fürs Gehirn sein!
Gute Spiele haben eine "offene Welt", das heißt man entscheidet selbst, wohin man die Spielfigur steuert, ob man einfach die Gegend erkundet, oder ob man schnell mit der Hauptstory weiter macht. Um die Spielfigur mit besseren Fähigkeiten auszustatten, gibt es kleinere Aufgaben, sogenannte Nebenmissionen. Die sind nicht so schwierig, manchmal amüsant, oder man muss knifflige Rätsel lösen. Wenn mir mein Mann die Steuerung überreicht, steht gerade kein Kampf an. Mein Job ist es meistens, die Spielfigur zum nächsten Einsatzort zu bewegen. Je nach Spiel kann man reiten, Auto oder Motorrad fahren, einen Helikopter steuern, oder auch mit einem Gleitschirm durch die Gegend fliegen Da ich wenig Übung habe, darf ich mich unterwegs nicht von Feinden erwischen lassen. Es kann trotzdem passieren, dass ich gerade freudig eine Schatztruhe öffne, aber den herannahenden Wächter des Schatzes übersehe. Schon haben wir den Salat: die Figur geht tot, Neustart beim letzten Speicherpunkt.
Mittlerweile gerate ich nicht mehr so schnell in Stress, und entwickle meine eigenen Spiel- und Übungsstrategien. Neulich musste ich im Spiel Mafia III eine Ladung Drogen mit einem Schnellboot zu einem Übergabepunkt transportieren. Da passiert nicht viel, man wird auf dem imaginären Mississippi nicht angegriffen. Ich hatte gelernt, mit dem Boot nicht gegen Brückenpfeiler zu fahren, und suchte nach einer neuen Herausforderung für meine Feinmotorik: Krokodile im Wasser! Als mein Mann mit dem frisch gebrühten Tee und den Keksen aus der Küche zurückkehrte, und einen prüfenden Blick auf meinen Spielfortschritt warf, entglitt ihm einer dieser denkwürdigen Sätze:
"Och, wir haben in diesem Spiel noch so viel zu tun, da muss man keine Krokodile überfahren!"
Ich brach in schallendes Gelächter aus. Echt? Wir haben noch so viel zu tun...
Das ist jetzt eines unserer geflügelten Worte. Wenn wir über vermeintliche Notwendigkeiten lachen wollen, kommt das Krokodil-Zitat. Es ist ein Spiel, nichts weiter. Immer hübsch locker bleiben. Und genau das ist wichtig: Wenn wir einen Film oder eine Serie anschauen, wissen wir auch, dass es sich um Fiktion handelt. Bei Videospielen ist man durch die Interaktivität emotional anders involviert als beim Fernsehen. Das Erlebnis ist intensiver, und das Adrenalin meldet sich schneller. Gutes Übungsfeld in Sachen Achtsamkeit und wachsame Präsenz in Stresssituationen.
Bei meiner nächsten Mission hatte ich ein wunderbar aufgemotztes Auto zur Verfügung, und sollte die Spielfigur von A nach B fahren. Im besagten Spiel sind Kollisionen mit dem Auto echt schlecht, vor allem wenn die Figur eine schusssichere Weste trägt. Diese Weste büsst bei jedem noch so kleinen Crash ihre Schutzwirkung ein, und glauben Sie mir: diese Schutzwesten sind im Spiel schwer zu finden. Man braucht sie im Kampf gegen böse Gegner - also heißt es vorsichtig fahren, die Feinmotorik trainieren, die richtigen Tasten im richtigen Moment betätigen. Sie ahnen es.
"Ich verstehe nicht, wie man in Zeitlupe einen Unfall bauen kann", kommentierte mein Mann kopfschüttelnd. Ich hatte die Dreieck-Taste für den Zeitlupenmodus gedrückt, aber eben nicht schnell genug. Neben einer guten Übersicht braucht man auch Reaktionsgeschwindigkeit, und es ist ein Riesen-Unterschied, ob man die Taste nur antippt, oder länger gedrückt hält... Ich kann Kameras bedienen und flüchtige Fotomotive schnell einfangen, aber mit einem virtuellen Auto um die Kurve fahren... Als Playstation-Anfängerin muss ich mir von meinem Profi-Coach mit zehn Jahren Erfahrung einiges anhören. Bei ihm sieht alles so unglaublich einfach aus. Übung macht den Meister, egal womit man sich beschäftigt. Aber zu Beginn jedes neuen Spiels muss auch er sich in die Details der Steuerung einarbeiten, und die für jedes Spiel individuell programmierten Tastenkombinationen trainieren. Das fordert die grauen Zellen, und es fördert die Geschicklichkeit.
Steuerung - wenn die Figur zu Fuß geht. Beim Autofahren, Fliegen oder anderen Tätigkeiten sind viele Tasten anders belegt. |
Der Umgang mit der hoch komplexen Steuerung hat mich lange vom Spielen mit so einer Konsole abgehalten. Frustrierend! Es erfordert viel Übung, aber sobald man es halbwegs beherrscht, fängt es an, Spaß zu machen. Es ist wie beim Fotografieren! Ich schaue auch gerne zu und lerne als Co-Pilotin etwas über Spielstrategien, warne meinen Mann vor Feinden, die er im Kampfgetümmel nicht sieht, oder wir lösen gemeinsam schwierige Rätselaufgaben. Wir fiebern gemeinsam und lachen oft. Beim Anblick seines Protagonisten meinte ich neulich:
"Kauf dem doch mal schöne Anziehsachen. Der hat so viel Geld - willst du das alles für Waffen und Munition ausgeben?" Eine schusssichere Weste war der Kompromiss. Ich übe weiter, wie man die verschiedenen Fahr- und Flugzeuge steuert; der Fallschirm ist aktuell meine größte Herausforderung. 😅 Zur Erholung lassen wir die Spielfigur eine Runde Golf, Tennis oder Darts spielen. Oder ein Autorennen zwischendurch? Es kann ja nichts passieren. Manche Spiele sind so komplex und abwechslungsreich, dass man sich monatelang damit beschäftigen kann, häppchenweise. Vor verregneten Sommertagen, langen dunklen Winterabenden und Lockdown-Diskussionen lassen wir uns nicht verunsichern. Und siehe da:
"Videospielen vergrößert Hirnbereiche, die für räumliche Orientierung,
Gedächtnisbildung, strategisches Denken sowie Feinmotorik bedeutsam
sind. Das zeigt eine Studie (2013), an der Wissenschaftler vom
Max-Planck-Instituts für Bildungsforschung, der Psychiatrischen
Universitätsklinik der Charité im St. Hedwig-Krankenhaus, und des
Bernstein Fokus: Neuronale Grundlagen des Lernens, Teilprojekt "Komplexe
Lernvorgänge" beteiligt sind. Die positiven Effekte von Videospielen
könnten auch bei der Therapie psychischer Störungen zum Tragen kommen." (Quelle: Bernstein Fokus / Max Planck Institut für Bildungsforschung, Artikel)
Playstation Steuerung verstehen: Die (grundlegende) Bedienungsanleitung (Playstation.net)
Ganz toll in der Mafia-Spieleserie sind auch die Radiosender, die man im Auto als Hintergrundmusik einschalten kann. Hörprobe? Bei Youtube Mafia II.
Ich habe nicht viel Zeit zum Spielen, aber wenn ich auf andere Gedanken kommen und den Alltag für eine Weile vergessen will, ist die Konsole dafür bestens geeignet.
Siehe auch: Geflügelte Worte (1), Hirnsuppe, Da lachen ja die Hühner!, Oh bitte...!, Erkenntnis, Kansas City Shuffle, Schnee, der auf Ceran fällt
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen