Montag, 9. September 2019

Abgetaucht - Wenn Freunde einfach verschwinden

In Freundschaften und Beziehungen gibt es schon seit langem eine Verhaltensweise, die man früher als "Abtauchen" bezeichnet hat. Bei der modernen Partnersuche ist sie besonders verbreitet: Nach den ersten verheißungsvollen Begegnungen bricht eine Seite den Kontakt scheinbar grundlos ab, und ist nicht mehr erreichbar. Das gibt es auch in freundschaftlichen Beziehungen, und es scheint sich auszubreiten. Mittlerweile sprechen Fachleute von einem gesellschaftlichen Phänomen.



Abtauchen - "Ghosting"
„Sich einfach so lange nicht mehr melden, bis der andere es kapiert hat und aufgibt": im modernen Sprachjargon gibt es dafür den Begriff "Ghosting". Man klinkt sich bewusst aus, und lässt die andere Person im Unklaren darüber, warum man keine Lust mehr hat, die Beziehung oder Freundschaft fortzuführen. Die Betroffenen suchen den Fehler dann meistens bei sich selbst, und fragen sich, ob sie etwas falsch gemacht haben. Dazu meint die Psychologin Yvonne Keßel: "Das ist falsch. Der andere hat etwas falsch gemacht.“  Tatsächlich sei die Ursache für Ghosting meist die Angst vor Konflikten. „Menschen, die keine andere Stressbewältigungsstrategie haben, umschiffen dadurch eine Situation, der sie sich nicht gewachsen fühlen“, so Keßel. Insofern sei Ghosting ein Ausdruck großer Hilflosigkeit. (Quelle: FAZ, siehe weiterführende Links)
  • Sind Freunde von Ihnen abgetaucht oder 
  • haben Sie selbst schon einmal "Ghosting" betrieben?
Für einen vorübergehenden Rückzug aus einer Freundschaft gibt es oft nachvollziehbare Gründe (siehe "Lebensabschnittsfreunde"). Wie in einer Liebesbeziehung können sich auch Freunde "auseinanderleben". Irgendwann hat man sich nichts mehr zu sagen, und lässt die Freundschaft allmählich einschlafen. Das geschieht meist in beiderseitigem Einvernehmen. Beim Abtauchen verschwindet nur eine/r.


Freunde, die sich gut kennen, treffen im Gespräch manchmal einen wunden Punkt und treten in ein Fettnäpfchen. Dabei kommt es zu Kränkungen, die mitunter aus einer ganz anderen, unverarbeiteten Beziehungsdynamik stammen. Manche reichen bis in die Kindheit zurück, und können im Kontakt mit anderen engen Bezugspersonen unbewusst aktiviert werden. ("Projektion"). Solche Verstimmungen und Kränkungen kann man theoretisch in einem Gespräch klären, sich entschuldigen und lernen, achtsamer mit den Gefühlen anderer umzugehen. Trotzdem ist nicht jeder in der Lage, Fehler oder Schwächen zuzugeben oder zu verzeihen. Manchmal hilft eine Zeit des Rückzugs, manchmal ist der Bruch unwiderruflich.


Lassen Sie los
Wenn Freunde abtauchen, und auf Gesprächsangebote nicht reagieren, suchen Sie die Schuld nicht bei sich selbst. Auch wenn es schwerfällt: Lassen Sie die Geister ziehen. Vielleicht gelingt es Ihnen auch, diesen Menschen alles Gute für ihre weitere Zukunft zu wünschen.

Wenn Sie selbst das Bedürfnis haben abzutauchen, überlegen Sie, was die Fortführung der Freundschaft für Sie so belastend macht. In vielen Ratgebern ist zu lesen: Trennen Sie sich von Kontakten, die Sie herunterziehen. Nur selten findet man in diesen Ratgebern auch einen Hinweis darauf, wie man sich in Würde von Kontakten trennt, die immer schon unliebsam waren, oder es im Lauf der Zeit geworden sind.




Schluss machen mit Ansage
Eine klar ausgesprochene Trennung schafft klare Verhältnisse, erfordert aber Mut, weil es das Gegenüber verletzt. Diesen Konflikt wollen alle vermeiden, darum wirkt das Abtauchen wie eine schonende Methode. Wenn Sie die weiterführenden Links studieren, werden Sie erkennen, dass Ghosting alles andere als harmlos ist. Der oder die Zurückgelassene können nicht oder nur schwer mit der Situation abschließen, und sich danach schlechter auf neue Beziehungen oder Freundschaften einlassen. Ein schmerzvolles Ende ist besser, als endlose Schmerzen.

Wenn Sie einen Schlussstrich ziehen wollen...
Prüfen Sie, ob Sie zumindest in einer Nachricht oder in einem Brief klarstellen können, dass Sie aus persönlichen Gründen keinen weiteren Kontakt wünschen, und auch nicht mehr reagieren werden. So entstehen keine falschen Hoffnungen auf eine einseitig erhoffte gemeinsame Zukunft. Wenn es sich für Sie stimmig anfühlt, oder wenigstens eine gute Notlüge wäre, fügen Sie hinzu, dass Ihr Gegenüber diese Situation nicht persönlich nehmen soll. Falls es etwas Konkretes gibt, das Sie verletzt hat, versuchen Sie für sich selbst zu klären, was genau Sie so wütend gemacht hat. Daraus ergibt sich gegebenenfalls eine Gesprächsbasis für eine offene und ehrliche Aussprache.

In besonderen Situationen ist ein Kontaktabbruch angebracht: Halten Sie sich Menschen vom Hals, die krankhaft weiter klammern, obwohl Sie bereits klar und eindeutig Schluß gemacht haben. Wenn die Belästigung bis zum Stalking eskaliert, suchen Sie sich professionelle Hilfe.

Weiterführende Links


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