Über die Steinschlange in Harlaching hatte ich im Mai erstmals berichtet. Während des Corona-Lockdowns hatten vor allem Kinder angefangen, Steine zu bemalen und sie entlang eines kilometerlangen Wegs zu platzieren. Einige Exemplare dieser aus Verzweiflung entstandenen Beschäftigungstherapie waren wirklich hübsch, was dazu führte, dass sie über Nacht verschwanden. Es folgten verzweifelte Hilferufe, dass die Diebe die kleinen Kunstwerke doch bitte an ihren Platz zurücklegen sollten, aber es sah nicht so aus, als ob dieser Aufruf Wirkung gezeigt hätte.
Die Motive auf den Steinen waren für mich von Anfang an interessante Forschungsobjekte, darum habe ich sie immer wieder fotografiert. In dieser Collage habe ich Motive zusammengestellt, die überwiegend von der "Popkultur" inspiriert sind - Barbapapa, Wickie und die starken Männer, Snoopy, Spiderman, aber auch Motive aus der Werbung und das auslösende Element Corona-Virus und eine Gesichtsmaske spiegeln die medialen Einflüsse. Wirklich kreative und eigenständige Einfälle waren ausgesprochen selten.
Die am häufigsten verwendeten Symbole waren Herzen und gemalte Regenbögen. Auch die "große Kunst" diente als Vorlage: Jemand malte Banksy-Motive, die gleich geklaut wurden; auf einem Stein war ganz surrealistisch à la Magritte zu lesen: "Das ist kein Stein."
Bleibt zuhause, Bleibt gesund, Alles wird gut, Carpe Diem, Lebe - liebe - lache, Corona geh scheißen: Die Steinschlange als Psychogramm.
Vielleicht hatte der "Kunstraub" seinen Teil dazu beigetragen, dass die Schlange insgesamt nicht länger wurde. Wahrscheinlich war es aber doch das Ende des Lockdowns, der das Interesse an der Weiterführung und Pflege der bunten Schlange verebben ließ. Immerhin erreichte sie eine Länge von etwa 500 Metern. Die Rasenmäher umfuhren die Schlange und ließen sie am Leben. Es war die Natur selbst, die sich alsbald über das Objekt hermachte. Starke Regenfälle wuschen die meisten Steine blank. Man erkannte schnell, wer mit wasserlöslichen Öko-Farben gearbeitet hatte. Die Schlange verlor nicht nur ihre Farben, sie versank zunehmend unter wuchernden Grashalmen und Klee.
Im Nachhinein betrachtet war es für die besonders schönen Steine vielleicht ein Segen, dass sich diebische Kunstliebhaber ihrer angenommen hatten. Es ist auch nicht auszuschließen, dass manche Künstler*innen ihre liebevoll bemalten Steine selbst wieder nach Hause geholt haben. Während ich an der Schlange vorbeispazierte, erinnerte sie mich immer häufiger an ein
vernachlässigtes Haustier, das man mit großer Begeisterung angeschafft,
dann aber doch erkannt hatte, dass es einfach zu viel Mühe macht, es auf Dauer zu hegen und zu pflegen. Aus den Augen, aus dem Sinn.
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