Zwetschgenmann Lutz Prauser lädt ein zur Blogparade "Als ich zehn war"... Es war Raimund Verspohls Beitrag über seine Zeit als "Analogue Native", der mich zu diesem Beitrag inspiriert hat.
Mit zehn Jahren fängt – fast – ein anderes Leben an. War das so?, fragt Lutz Prauser.
Absolut: Ein radikaler Einschnitt.
Als ich zehn war, änderte sich in meinem Leben so ziemlich alles. Zwei Wochen vor meinem zehnten Geburtstag kam mein Bruder* auf die Welt. Aus war's mit der Ruhe. Ich bekam zwar das größere der beiden Kinderzimmer, aber die Lärmquelle direkt nebenan wurde für mich in den darauffolgenden Jahren zu einer permanenten Folter. Sorry, Bruder, du konntest nichts dafür. Dass du heute Musiker bist, freut mich übrigens sehr :-) Das Timing damals war unglücklich und die Rahmenbedingungen eher schlecht.
* Korrekt formuliert müsste ich "Halbbruder" schreiben, aber wir sind zusammen aufgewachsen, also ist er mein Bruder. Fertig, aus.
Es heißt, dass die Babyboomer Glückskinder seien. Solche Verallgemeinerungen schätze ich nicht so sehr. 1964 war der geburtenstärkste Jahrgang mit durchschnittlich 3718 Geburten in Deutschland pro Tag. Folglich wurde diese Monster-Generation auch gleichzeitig eingeschult. 1974 besuchte ich die vierte Grundschulklasse einer Schule, die nur 100 Meter von unserer Wohnung entfernt lag. Wir lebten in Haar bei München in einem aus dem Boden gestampften Neubaugebiet der "Neuen Heimat" - Wohnblöcke im Stil der frühen Siebziger. Das hatte damals noch keinen unangenehmen Beigeschmack, es waren die modernsten Wohnungen im Ort, groß und bezahlbar.
37 Schüler - beim Fototermin fehlten einige. Während des Jahres kamen neue dazu, andere gingen. |
In der neu eröffneten Grundschule waren Klassenstärken mit vierzig Schülern und mehr ganz normal. eine Zeitlang waren wir 52, weil ständig neue Schüler während des Schuljahres dazu kamen, und andere wieder verschwanden. Der Lärmpegel und die bedrückende Enge in den Klassenzimmern waren sicher auch Ursachen dafür, dass ich nicht gern zur Schule ging. Jedenfalls meldete ich mich so oft wie möglich wegen Übelkeit und Kopfschmerzen krank. Meine schulischen Leistungen waren entsprechend mittelprächtig. Dass ich den Übertritt ins Gymnasium trotzdem schaffte, war nur der sehr engagierten Klassenlehrerin zu verdanken, aber auch dem Druck, den meine Mutter damals auf mich ausübte. Es war der Klassiker: Den Kindern soll es später besser gehen, als den Eltern, also ab aufs Gymnasium!