Dienstag, 28. November 2017

Randnotizen der Digitalisierung


In unserem Stadtviertel wurden unlängst alle Telefonanschlüsse digitalisiert. Das neue Internetfernsehen funktioniert prima, und außerdem gibt's den Fire TV Stick, Netflix und Youtube im Wohnzimmer - all diese tollen neuen Sachen. Im Zuge der technischen Erneuerung gibt es eben auch Verlierer: der alte Röhrenfernseher hat  ausgedient. Erstaunlich, wie viele es davon noch gibt. Davon kann man sich derzeit in den Straßen Giesings selbst ein Bild machen.

Gleich und gleich gesellt sich gern. Wenn sowieso schon einer auf dem Grünstreifen steht, dann kann derjenige, der sich beflissen fühlt, den Müll zu entsorgen, die anderen auch gleich mit zum Wertstoffhof nehmen. So funktioniert Outsourcing. 
Gab es nicht ganz ganz ganz früher mal so etwas wie einen offiziellen Sperrmülltag im Stadtviertel? Das war eine super Sache, Abenteuer pur. Was man da nicht alles am Straßenrand finden konnte: Möbel, Lampen, Regale... Flohmarkt kostenlos. Oft wechselten ungeliebte Dinge über Nacht den Besitzer. Aber so funktioniert das heute eben nicht mehr. Jetzt ist Wertstoffhof!
Wer will mich?
Hier hat der ehemalige TV-Eigentümer immerhin für einen trockenen Standort seiner Altlast gesorgt, und freundlicherweise einen Zettel draufgeklebt mit dem Hinweis, dass das Gerät noch funktioniert. Zu verschenken. Fein. Dumm nur, dass es für Röhrenfernseher heute kaum noch Abnehmer gibt. Nicht mal geschenkt. Gleich daneben hat sich ein neueres Modell dazu gesellt - mit eingeschlagenem Monitor. Der funktioniert wohl nicht mehr. War das TV-Programm zu schlecht, die Nachrichten zu ärgerlich? Es würde mich nicht wundern.


Jetzt steht Weihnachten vor der Tür und die Wohnzimmer müssen frei werden für die neue Gerätegeneration. Bald werden noch mehr ungeliebte Elektrogeräte "irgendwo" landen. 

Wäre das nicht ein tolles TV-Format für das RTL-Vorabendprogram: "Röhren-TV Fritz sucht neues Zuhause"? Oder ließe sich eine neue Kategorie in "Bares für Rares" einführen? Wenn die alten Bauteile so wertvoll wären wie Zahngold, dann vielleicht.

Wir sind Weltmeister im Mülltrennen und wir haben so ein tolles Pfandsystem. Hallo, ihr Grünen: wollen wir nicht ein neues Pfandsystem  für Elektroschrott einführen? Dann würden sich zu den Flaschensammlern auch noch die Schrottsammler dazu gesellen, und könnten sich ein paar Euro extra dazuverdienen. Das wären dann die Premium-Sammler, weil sie ein Auto brauchen - oder einen Handkarren, mit dem sie die Geräte zum Platinen-Dealer schaffen. Mad Max lässt grüßen.

In Wirklichkeit ist alles ganz anders: die Leute, die ihre Geräte am Straßenrand entsorgen, sind einfach nur besonders rücksichtsvoll. Nicht auszudenken, was für eine Feinstaubbelastung entstünde, wenn man jedes Gerät einzeln mit einem Auto zum Wertstoffhof transportieren würde. Für so viel Rücksichtnahme gibt's den Sonderpreis der Jury: jede Woche einen noch funktionierenden Röhrenfernseher, frei ins Haus geliefert.

Siehe auch:  Digitale Revolution: Erlebnisse aus dem AlltagMehr weg als da, Geld für Müll: Tintenpatronen und Tonerkartuschen recyceln, Weihnachten naht, Der Rest vom Fest, Gleich und gleich gesellt sich gern, Ausgetoastet, Grüße aus Digitalien

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