Freitag, 19. März 2021

20 Jahre betrachtenswert.de

Kennen Sie das? Es kommt Ihnen vor, als sei es erst gestern gewesen, aber wenn Sie zurückrechnen, stellen Sie auf einmal fest: Hoppla, das Ereignis liegt weit zurück. Vor zwanzig Jahren ging meine Webseite betrachtenswert.de online. 20 Jahre Wikipedia. 50 Jahre Sendung mit der Maus. 😸  Das Faszinierende am Blick in die Vergangenheit ist, dass sie uns auch etwas über die mögliche Zukunft verrät.

"betrachtenswert.de" war nicht meine erste Webseite im großen Internetz, das damals noch so neu und so erfrischend auf mich wirkte. Wo führt das alles hin? Diese Frage haben wir uns damals gar nicht gestellt. Wir fingen einfach an, unsere Seiten zu bauen, füllten sie mit Fotos und Texten zu Themen, die uns am Herzen lagen. Frisch, frei von der Leber weg. Manchmal naiv und ahnungslos, aber immer voller Tatendrang. Dieser kreative Internetspielplatz mit Fotos und Texten war eine wichtige Weichenstellung für meinen weiteren Lebensweg.

Schon in der Anfangszeit lernte ich viele neue Menschen kennen, die die gleichen Interessen hatten, und genauso frei und optimistisch mit dem neuen Medium experimentierten. Mit einigen stehe ich immer noch in Kontakt. Es sind vor allem die Menschen, die ich nach dem virtuellen Kennenlernen auch persönlich getroffen habe.💝

Informations-Overkill und Schattenseiten

Im Lauf der Jahre wurde es auf der Reise durchs Netz unübersichtlich: Foto- und Diskussionsforen, Youtube, Blogs, Social Media, neue Kommunikationsformen wie Whatsapp, der Wechsel vom Computer zum Smartphone, Podcasts, Mediatheken, Livestreams, Urheberrechte, Datenschutzverordnung... und ganz viel Kommerz. Je einfacher die Nutzung für Anwender wurde, desto aufwändiger wurde es für Seitenbetreiber: Multimedia, neue Techniken, neue Designs, neue rechtliche Rahmenbedingungen. Ich kam mit meinen technischen und juristischen Aktualisierungen irgendwann nicht mehr hinterher. 😵

Trolle, Hater, Spammer und Hacker gab es immer im Netz, Überwachung auch. Aktuell haben wir immer noch Facebook-Freunde, sind Instagrammer oder nutzen irgendeine andere dieser Plattformen. Sie kommen und werden durch neue abgelöst. Früher abonnierte man Newsletter, heute ist man Follower. Wer mit seinen Inhalten viele Menschen erreicht ist ein*e Influencer*in. Wenn jemand etwas schreibt, was anderen nicht gefällt, gibt's böse Kommentare oder einen Shitstorm. Künstliche Intelligenz erblüht, Kommunikations-Bots sind von echten Menschen kaum noch zu unterscheiden, und niemand weiß, ob er gerade Fake News oder Nachrichten liest. Nicht mal auf Wikipedia kann man sich noch verlassen. Aber unsere moderne Welt funktioniert nicht mehr ohne das Internet, das sieht man gerade jetzt, in der Corona-Zeit. Gerade jetzt merken wir aber auch, dass diese virtuellen Erlebnisse nur eine Ergänzung, aber kein Ersatz für echte Begegnungen mit echten Menschen in der analogen Welt sind. 😷

Fehler 405
Sie haben das Ende des Internets erreicht.
Öffnen Sie sich ein kaltes Bier und lehnen Sie sich zurück. 

Ach ne, jetzt trinkt man Bionade. Oder ist das auch schon wieder out?

Liebe Kinderinnen und Kinder, 👀

auch die Entwicklung der Sprache stellt AutorInnen vor neue Herausforderungen. Schauen wir mal, was daraus wird. Mir ist wichtig, dass die Texte gut lesbar bleiben, deshalb werde ich nicht durchgängig gendern.

Was machen Sie hier bei mir im Blog, im Jahr 2021? Wonach suchen Sie? Unterhaltung, Entspannung, Zerstreuung, Informationen, Inspiration? Sind Sie zufällig hier gelandet, oder weil sie betrachtenswert schon lange, oder mich sogar persönlich kennen?

Es  tut mir leid, dass ich ausgerechnet im Jubiläumsjahr wieder mal keine Zeit habe, um meine Blogs mit schönen Texten oder Bildern regelmäßig zu füllen. In meinem Fotonanny-Blog habe ich erklärt, warum das so ist. Aber auch ohne diese äußeren Umstände bin ich in den letzten Jahren schweigsam geworden. Es gibt so viele Leute, die ihre Meinungen und ihr Fachwissen zum Besten geben. Laut schreien war noch nie mein Ding, obwohl ich  manchmal am liebsten laut schreien würde, wenn ich zufällig mitbekomme, was die sogenannten Influencer den ganzen Tag so machen. Vielleicht sollte ich mehr Selfies oder Rezepte posten, oder doch lieber Berichte über meine intimen Dialoge mit Zimmerpflanzen veröffentlichen? 😂 Nonsense kommt besser an als philosophische Nachdenklichkeit. Gerade letzte Woche hat mir mein Ehemann und Zen-Meister gratuliert: Du hast Deine Zen-Ausbildung beendet. Wie ist das passiert? Ich habe festgestellt, dass ich kein Zafu und keine Zendo mehr brauche, um zu meditieren. Die Ausbildung beenden ist das eine. Das Gelernte im Alltag anwenden, das andere. 🙏

Eine Seite für Menschen, die gerne über den Tellerrand schauen

So versuchte ich die bunte Themenvielfalt von betrachtenswert.de zu beschreiben. Wenn ich heute vorsichtig über meinen Tellerrand luge, komme ich mir manchmal vor wie eine Außerirdische in einer fliegenden Untertasse, ein Geisterfahrer, der in einem mit Überlichtgeschwindigkeit rotierenden Fahrzeug versucht, dem Gegenverkehr auszuweichen. Wohin geht die Reise? Ganz spontan gesagt: am liebsten nichts wie weg von hier. Ich wollte Ende 2020 mal wieder alles löschen, und mich ganz aus dem Netz verabschieden. 
 
Es fühlt sich an wie Sterben, wenn man sein digitales Ich aus dem Netz löscht. Irgendetwas hielt mich davon ab. Es ist immer noch zu interessant, dieses faszinierende Setting, in dem wir leben, weiter zu beobachten - und gelegentlich zu kommentieren. Vielleicht kommt auch noch mehr, aber ich hüte mich vor Prognosen.

Nochmal zwanzig Jahre Internet? 

Wie das Netz im Jahr 2041 wohl aussieht und funktioniert? Haben wir dann alle einen implantierten Chip, mit dem wir virtuelle Inhalte aufnehmen? Befinden wir uns jetzt schon in einer Simulation, oder ist das alles echt, was wir hier erleben? Manchmal weiß ich nicht mehr, ob ich wach bin, oder träume.

Neulich hatte ich den Impuls, Elon Musk eine Mail zu schreiben. Der glaubt, dass wir in einer virtuellen Realität leben. Mit Autos und Raumfahrt kennt er sich aus. Darum würde ich jetzt gerne ein autonomes Fahrzeug vorbestellen, für das Jahr 2057. Es sollte ein nachhaltig produziertes und energieneutral funktionierendes mobiles Zuhause sein, barrierefrei, und wurmlochtauglich. Musk soll gesagt haben, dass wir einen Plan B brauchen, falls unser Planet versehentlich kaputtgeht. Ein statisches Zuhause auf dem Planeten Erde hat viele Nachteile: Man muss auf seinen Wanderungen und Reisen immer den Rückweg einkalkulieren. Da kommt man nicht so weit. Außerdem muss man so viele Dinge vorhalten, die man eigentlich gar nicht braucht. Mit einem interstellaren Wohnmobil könnte man einfach aufbrechen, wie ein Nomade durchs All driften, und nachschauen, ob es da draußen im Kosmos vernünftigere oder  noch verrücktere Spezies gibt als unsere. Ich bin sicher: Wenn jemand diese Aliens findet, dann Elon Musk. 👽 Falls er recht haben sollte, dass wir uns in einer Simulation befinden, dann kann man dieses Programm ändern. Man muss nur den Programmiercode verstehen und hacken. 😉

Bis die futuristischen Transportmittel marktreif sind, werde ich meine Runden noch eine Weile auf dem Boden der Tatsachen drehen müssen. Allerdings weiß ich nicht, wer welche wissenschaftlichen Studien oder welchen Zeitungsartikel gesponsert hat, auf die ich mich bei meinen Quellenangaben beziehe. Es könnte also alles nicht wahr sein, oder eine Fehlinterpretation. Irren ist menschlich. Wenn man von nichts eine Ahnung hat: Einfach mal die Klappe halten? 
 
Sokrates hat das eleganter ausgedrückt: Ich weiß, dass ich nichts weiß. Dem füge ich hinzu: Alles, was ich sage oder schreibe, ist reine Spekulation oder fußt auf dem aktuellen Stand des Nichtwissens. Manchmal ist es auch einfach Satire. Die hilft immer, wenn man nicht mehr weiter weiß.

betrachtenswert.de war und bleibt weiterhin ein persönlicher Meinungs- und Erfahrungs-Blog. Indem ich nur selten längere Artikel poste, haben die vielen Gedanken, die mir tagtäglich durch den Kopf schwirren, viel Zeit, sich zu setzen. Beim Prozess des Schreibens werden die Gedanken ebenfalls klarer. Ich hoffe, dass am Ende etwas dabei herauskommt, das Sie in irgendeiner Weise betrachtenswert finden. Und jetzt? Suchen Sie das Ende des Internets. Das finden Sie wahrscheinlich vor Ihrer (analogen) Haustür. 😊 Ich suche derweil nach dem Programmiercode dieser verrückt gewordenen Simulation.

2 Kommentare:

Georg Schraml hat gesagt…

Liebe Jacqueline, du hast so treffend beschrieben, was ich auch immer mehr empfinde. Dieser irrsinnige Wandel lässt mich oft zurückdenken an unser Zeitwelten-Projekt, für das damals die Zeit vielleicht noch nicht reif war. Bräuchten wir ein Zeit-Stopp-Projekt, um der Sinnfrage Raum zu geben? Aber es könnte sein, dass genau dieses Projekt derzeit voll im Gange ist, ohne dass die meisten es bemerken. Ich wünsche dir viel Kraft für deinen nicht leichten Alltag! Liebe Grüße! Georg

betrachtenswert hat gesagt…

Lieber Georg,
danke! Ja, erst waren da die Netzquellen, dann die Zeitwelten und dann sind wir beide in Richtung Fotografie abgebogen. Aber nicht nur. :-)

Die Sinnfrage steht immer im Raum, auf die eine oder andere Weise. Manchmal steht sie in der Ecke, manchmal steht sie mitten im Weg - darauf kann man ganz unterschiedlich reagieren.
Die Zeit werden wir nicht anhalten können, aber es ändert sich etwas an unserer "Rotationsgeschwindigkeit", wenn wir ausgebremst werden, oder bewusst einen Gang runterschalten. Trotz dieses irrsinnigen Wandels habe ich das Gefühl, dass die meisten Menschen momentan im Stau stehen, und irgendwie darauf warten, dass es weitergeht. Wie, wohin? Ich denke, das ist eine ganz wichtige Frage. In welcher Welt wollen wir leben, und vor allem: was können wir selbst dazu beitragen?

Alles Gute auch für Dich, ich freu mich auf unser nächstes Telefonat und "irgendwann" mal wieder ein persönliches Treffen.

Herzliche Grüße,
Jacqueline