In der Reihe "1000 Meisterwerke der Digitalromantik 4.0" erfahren Sie heute, warum die Newton'schen Gesetze der Schwerkraft seit dem Jahr 2018 nicht mehr gelten. Schwerkraft ist ein halbwissenschaftlicher Terminus, der sich aus den Worten Schwer und Kraft zusammensetzt. Ein Fahrrad ist schwer, darum braucht man Kraft um es bewegen zu können. Dies gilt insbesondere für Strecken bergauf. So war das zumindest früher, doch es gibt Neuerungen, die auch Sie im Alltag beobachten können.
In diesem meisterlichen Bild sehen Sie rechter Hand ein Fahrrad in ungewöhnlicher Pose, das sich offensichtlich anschickt, sich der SchwerKraft zu widersetzen. Einem wilden Mustang gleich bäumt es sich auf, überschlägt sich förmlich und verlässt die ihm zugewiesene Seite des im Hintergrund erkennbaren grauen Radwegs.
Ob das Rad diese Haltung aus Trotz oder aus Verzweiflung einnimmt, wissen wir erst, wenn wir tiefer in das Werk vordringen. Bei genauerem Hinsehen entdecken wir, dass dieses elegant aufragende Gebilde mit einem starken, plastikummantelten Kettenschloss geschickt an den Pfeiler des naturgrünen Geländers gekettet wurde. Musste dieses stattliche Stahlross so minutiös fixiert werden, damit es nicht einfach auf- und davonfliegt?
Schon seit einiger Zeit ist zu beobachten, dass Fahrräder immer schneller werden, ja beinahe fliegen. Das hat nichts mit der Kraft zu tun, die Menschen aus ihren Oberschenkeln und Waden auf Pedale übertragen. Nein, moderne Räder sind energetisiert. Wenn Sie diesem Begriff bisher eine esoterische Bedeutung beigemessen haben, aktualisieren Sie Ihren Wortschatz. Hören Sie auf sich zu wundern, wenn Sie einen steilen Berg hoch ächzen und dabei von einem entspannten Achtzigjährigen auf einem Fahrrad überholt werden. Erschrecken Sie auch nicht, wenn Ihnen ein Skateboarder in einem Höllentempo bergauf entgegenkommt, sein Brett dabei aber nicht ein einziges Mal anschiebt. Lauschen Sie stattdessen dem hellen Summen, das solche Personen umgibt. Während Sie sich noch mit Schweiß und Muskelkraft fortbewegen, nutzen fortschrittliche Menschen die Kraft der #Elektromobilität.
Moderne Radler müssen sich nicht mehr tief über das Lenkrad beugen, um im Windkanal erprobte Haltungen einzunehmen, die den Luftwiderstand beim Strampeln mit altbackenen Pedalen verringern. Schauen Sie sich den halb verwischten Strampler am linken Bildrand dieses Meisterwerks an! Wer fährt heute noch auf diese Weise Fahrrad? Bilder wie dieses werden alsbald Anachronismen sein. Sichern Sie sich deshalb rechtzeitig ein eigenes handsigniertes Exemplar.
In diesem einzigartigen Werk erkennen Sie auch den göttlichen Wink, den die Sonne, unser Zentralstern hinunterschickt, um den noch unerleuchteten Analogradler zu erhellen. Sie scheint zu rufen: Kauf dir ein Pedelec, ein E-Bike und radle fürderhin aufrecht, ganz ohne Mühe! Du kannst schneller sein, weiter fahren, es wird alles viel einfacher und du stinkst nicht mehr nach Schweiß, wenn Du eine halbe Stunde früher zur Arbeit kommst. Dein Chef und Deine Kollegen werden glücklich sein und die Industrie auch! Steig um, wähle den rechten Weg und ... spare Energie... Ich bin's, die Sonne!
Erkennen wir im Aufbäumen des analogen Drahtesels also eine Spur von Verzweiflung? Will er sich etwa in den Graben stürzen, wohl wissend, dass sein letztes Stündlein geschlagen hat? Verlacht man ihn bereits, weil er noch nicht energetisiert ist und niemals nachgerüstet werden kann? Was immer sein Beweggrund sein mag: Dieses edle Stahlross zeigt Haltung. Es bleibt nicht brav angebunden am Wegesrand stehen und wartet darauf, von seinem Halter wieder abgeholt zu werden. Es macht auf sich und seine Situation aufmerksam und darf deshalb guten Gewissens als Vorreiter einer Bewegung angesehen werden, die sich in zwei Worten zusammenfassen lässt: Schwerkraft ade!
Doch Halt, bevor Sie sich nun ein energetisiertes Zweirad anschaffen: Bedenken Sie, dass moderne Trends die Eigenschaft haben, sich selbst ganz schnell zu überholen. Das analoge Fahrrad hat sich immerhin zweihundert Jahre lang gehalten. Es ist robust und wartungsarm. Pedelecs und E-Bikes könnten schon bald vom selbstfahrenden Fahrrad abgelöst werden. Google forscht bereits und die Holländer machen es vor. Wer sonst!
Wenn Sie einen handsignierten Druck dieses Werks Ihrer Kunstsammlung
hinzufügen wollen, wenden Sie sich an Sotheby's. Stichwort: 1000
Meisterwerke #0004
Siehe auch: Lasse Gras darüber wachsen, Wir wollen keinen nassen Po!, Immer wenn es Frühling wird, Gut geparkt ist halb gewonnen
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