Freitag, 10. Mai 2019

Eine magische Grenze

Der Mittlere Ring in München sieht manchmal richtig schön aus....
und er ist eine magische Grenze!


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München dehnt sich in alle Himmelsrichtungen relativ gleichmäßig aus. Deswegen haben wir ringförmige Hauptverkehrsadern: Im Zentrum gibt es den Altstadtring, etwas weiter außen verläuft der Mittlere Ring. Er  heißt so, weil es noch den Äußeren Ring gibt. Der ist nicht so bekannt, vielleicht weil er genauso unvollständig ist, wie der ganz außen um die Stadt verlaufende Autobahnring (A99). Um den stockenden Verkehr auf all diesen Ringstraßen geht es heute nicht, sondern um eine Münchner Besonderheit, die einen ganz besonderen Namen hat: Das Vollanschlussgebiet.

Wenn Sie dieses Wort kennen und dann auch noch wissen, was es für das tägliche Leben bedeutet, dann gehören Sie vermutlich zu einer (privilegierten) Minderheit. Wie diese lokale Besonderheit entstanden ist, habe ich noch nicht recherchiert. Ihre kuriosen Auswirkungen kann ich auf meinem Arbeitsweg täglich beobachten. Nachdem der Schnee in diesem Frühjahr abgetaut war, wurde das Desaster sichtbar...

Verstopfte Gullis und Plastikmüll ohne Ende...
Das macht doch sicher die Stadtreinigung weg!?
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Alles Bio!
Warum sollte man seinen Salat nicht am Straßenrand entsorgen?

Ich schickte eine Mail an die netten Menschen von der Stadtreinigung und informierte sie, dass im letzten Sommer die halbe Straße unter Wasser gestanden habe, weil die Gullis schon damals alle komplett verstopft waren. Ich meinte, dass es nett wäre, wenn sie mal jemanden vorbeischicken könnten. Und so lernte ich den Begriff "Vollanschlussgebiet" kennen. Ich erfuhr, dass die Stadtreinigung mitnichten kommen und saubermachen würde, denn im Münchner Stadtgebiet gibt es zwei Zonen: Die kleinere innerhalb des Mittleren Rings (= Vollanschlussgebiet) und die größere außerhalb. Wohnt man innerhalb dieser Zone wird man von den fleißigen Männern der Straßenreinigung verwöhnt: sie entfernen im Winter den Schnee, streuen die Gehwege ordentlich und sie machen jeden Tag sauber. Einmal im Jahr kommen auch die Leute vom Gartenbauamt und schneiden die Büsche und Bäume am Wegesrand. Super!

Nicht super ist das natürlich für die Anwohner jenseits der magisch-tragischen Grenze, denn sie müssen im Winter Schnee schippen, die Gehwege streuen und jetzt kommt's: Sie müssen auch die Fahrbahnen bis zur Mitte reinigen.

Holla die Waldfee! Ich glaube das weiß fast keiner hier im Stadtviertel. 
Auf den Internetseiten der Stadtverwaltung (Baureferat) erfährt man: "Das Vollanschlussgebiet umfasst ungefähr die Fläche innerhalb des Mittleren Ringes sowie den Kernbereich von Pasing. Dafür sind von diesen Gebühren zu zahlen." Ungefähr ist ein ungewöhnliches Wort im Behördenjargon.

An einigen Stellen ist es geradezu kurios. Direkt am Sechzger Stadion (offizieller Name "Stadion an der Grünwalder Straße") machen die Männer von der Straßenreinigung gerne Pause. Das Stadion liegt außerhalb des Mittleren Rings, ist aber ein städtisches Gebäude. Deshalb wird die kleine Seitenstraße von Michelangelo und seinen Kollegen stadionseitig supersauber gehalten. Direkt gegenüber wohnen Privatleute in ihren schmucken Häuschen und davor... Sie ahnen es:


Es ist natürlich schwer zu verstehen, dass die Straßenkehrer täglich vorbeifahren, die eine Straßenseite saubermachen und die andere nicht. Auch an anderen Stellen in der Stadt gibt es solche Kuriositäten. Einen übersichtlichen Plan konnte mir der freundliche Herr vom Baureferat nicht schicken, aber wenn man lange genug sucht, wird man in der Straßenreinigungssatzung fündig:

Straßenverzeichnis: Wer ist im Vollanschlussgebiet, wer nicht? 
Das Anschlussgebiet umfasst die im beigefügten Verzeichnis aufgeführten Straßen, Wege und Plätze 
a)      soweit sie im Verzeichnis mit dem Buchstaben S oder den Ziffern 1+, 1, 2 oder 3 gekennzeichnet sind, in dem Umfang, in dem sie dem öffentlichen Verkehr gewidmet sind.
b)      soweit sie im Verzeichnis mit dem Buchstaben F gekennzeichnet sind, nur im Bereich der Fahrbahnen. Zu den Fahrbahnen gehören auch die Parkbuchten und Radwege. 

(2) Selbständige Anliegerfahrbahnen an Straßen, die im Verzeichnis mit dem Buchstaben F gekennzeichnet sind, fallen nur dann in das Anschlussgebiet, wenn sie im Verzeichnis ausdrücklich angeführt sind.

Au weia...
Ganz einfach ist es für den Normalverbraucher nicht, durch diese Kategorien "durchzusteigen", aber man bekommt wenigstens einen ersten Hinweis darauf, ob man drin, nicht drin oder vielleicht drin ist. So ungefähr eben. Wenn Ihr Hausmeister im Winter die Gehwege vor Ihrem Haus räumen und streuen muss, dann ist er höchstwahrscheinlich auch für die Gullis und den Straßenrand zuständig. Fragen Sie gegebenenfalls bei Ihrer Hausverwaltung oder bei der Stadtreinigung nach. Und vielleicht kippen Sie Ihren Salat nächstes Mal in die Biotonne. München hatte mal den Ruf eine "saubere Stadt" zu sein. Mein Bekannter aus Berlin war entsetzt, als er das hier gesehen hat, und das will was heißen.

Siehe auch: Gespenstisch, Ausverkauftes Haus, Eigentlich, Es ist wieder Stau, Wow, Rama dama, Wer die Wahl hat...Gleich und gleich gesellt sich gern, Weltverbesserungsquatsch, Natur @work

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