Analoge Aufnahme, 1998 Farbfoto gescannt |
Wenn Sie sich mit Schach auskennen, dann ist dieses Fotomotiv für Sie
kompletter Humbug. Auch wenn nicht das ganze Spielbrett zu sehen ist,
kann es so eine Szene nicht geben. Warum ich es trotzdem so fotografiert habe, ist schnell erklärt: Ich machte meine ersten Experimente mit der sogenannten
Tabletop-Fotografie, suchte nach einem schmucken Motiv, und fand es in Form dieser Schachfiguren. Meine Aufgabenstellung lautete: Wie kann man eine kleine Szene mit sehr einfachen Mitteln beleuchten, wie bekommt man einen ruhigen Hintergrund, wie stellt man am besten scharf. Heute kann man sich Fotos sofort nach der Aufnahme anschauen und nachkorrigieren, damals musste ich noch ein paar Tage warten, bis der entwickelte Film im drei Kilometer entfernten Fotoladen abholbereit war. 😅
Mir war schnell klar, dass ich als Tabletop-Anfängerin mit komplexen Aufbauten völlig überfordert war. Also: Keep it simple, Reduktion auf vier Figuren, diese irgendwie adrett aufstellen, dadurch wird auch das Ringen um die Schärfentiefe einfacher. Das Ergebnis sieht okay aus, für Menschen mit Schachverstand macht es jedoch keinen Sinn; es irritiert eher. Ein vergleichbares Erlebnis hatte ich mit LeonardoAi.
Vor ein paar Tagen wollte ich ganz schnell und ohne großes Herumgeprompte ein "fotorealistisches, eindrucksvolles Bild von einem Snooker-Spieler am Snookertisch". Um der KI die Umsetzung zu erleichtern, lieferte ich ein Beispielfoto aus dem Netz mit: Zu sehen war ein sehr großer grüner Snookertisch, seitlich von schräg oben; ein elegant gekleideter Spieler lehnt sich mit seinem Queue nach vorne und visiert damit den weißen Spielball an. Auf dem Tisch liegen zehn (drei rote und sieben verschiedenfarbige) Snookerkugeln.Soweit so gut, diese Szene bekam ich auch von LeonardoAI, fast identisch zum Original. Trotzdem hatte die KI Fehler eingebaut, die das Motiv für meine Zwecke unbrauchbar machten. So wie ich bei meinem Schachbrett-Motiv damals, hat(te) die KI keinerlei Hintergrundwissen, und wichtige Snooker-Grundsätze außen vor gelassen: Auf dem generierten grünen Snooker-Tisch war nur der weiße Spielball plus eine schwarze
und zwei rote Kugeln zu sehen. Das wäre vielleicht noch okay beim Billard? Die Regeln kenne ich auch nicht so genau. Snooker ist auf jeden Fall bunter: Solange auch nur eine rote Kugel auf dem Tisch liegt,
müssen zwangsläufig sieben weitere, andersfarbige Kugeln zu sehen sein (wie im Originalbild). Dass der Körper des Spielers dieses Detail im generierten Motiv verdeckt, wäre theoretisch möglich, aber extrem unwahrscheinlich. Er müsste mehr oder weniger auf den Kugeln liegen, und das wiederum wäre dann ein "Kleiderfoul". 😅
Dieses Kugel-Detail kann man noch als "nerdige Korinthenkackerei" bezeichnen, ein Gscheidhaferl-Phänomen, aber es kam noch besser: Ich war einigermaßen irritiert, dass drei der vier erzeugten Bilder in der Leonardo-Vorschau ausgepixelt waren, und den Hinweis enthielten, dass die ausgeblendeten Motive möglicherweise "explizite Inhalte" enthalten könnten. Häh? 😕 Seit wann ist Snooker nicht jugendfrei?
Mein Blick wanderte über das sichtbare Bild, das die KI generiert und freigegeben hatte. Dabei fiel mir auf, dass dem Spieltisch eins der beiden mittleren Standbeine fehlte. Das kann man motivisch noch verkraften. Unterhalb eines Snookertischs werden Hilfsqueues aufbewahrt, auf die normalerweise niemand achtet. Es handelt sich um lange schwarze Stangen mit verschieden geformten Kränzen am Ende, die nur aus ihren Halterungen genommen und benutzt werden, wenn der Spieler den weit entfernten oder zwischen anderen Kugeln versteckten Spielball nicht anders erreichen kann. Die KI hatte diese im Originalbild sichtbare Stange offensichtlich völlig missverstanden, mit dem fehlenden Tischbein verschmolzen und das wahrhaft montröse Konglomerat aus beiden waagerecht in den Schritt des Spielers eingebaut. Schwarze Hose, schwarze Stange... das kann nur eins bedeuten. 😂😅
Jetzt muss irgendjemand kommen, und den Bilderzeugungs-KIs beibringen, wie sich das beim Snooker - oder auch auf dem Schachbrett - alles miteinander verhält. Das wird im Lauf der Zeit sicher geschehen, denn "die Algorithmen lernen ständig dazu". Die Frage ist nur was, und ist es jetzt meine Aufgabe als (ggf. zahlender Kunde) das Training zu übernehmen? 😅
Ich finde diese Möglichkeiten weiterhin toll, und werde weiter experimentieren. Es ist kein Problem sich einen klischeehaften Weihnachtsmann mit roter Mütze und Bart zu bestellen, oder auch ein niedliches Kaninchen im Dalmatiner-Eichhörnchendesign, aber so richtig "out of the box" sind die kreativen Prozesse nach meiner bisherigen Beobachtung noch nicht. Was ich aber verstanden habe ist, dass man das Motiv "Weihnachtsmann im Taucheranzug" anders angehen muss: Ein Weihnachtsmann im Taucheranzug ist eben etwas anderes, als ein Taucher mit Weihnachtsmütze.
Erstellt mit LeonardoAI |
Auch wenn mir die künstliche Ästhetik der generierten Bilder noch gar nicht gefällt: Daran kann man arbeiten. Klar ist, dass man bei einem Fotoshooting für so ein Motiv im "echten Leben" ziemlich viel Aufwand treiben muss. Denken Sie dabei allein an die Frage, wie man die aus dem Tierpark entführten Rentiere in den Schlitten bekommt, ohne dass sich ihre fantasievollen Hirschgeweihe verheddern... 😁
Vielleicht ist Ihnen heute oder in der stillen Vorweihnachtszeit langweilig, dann können Sie ja ein bisschen Tabletop-Fotografie oder KIgrafieren ausprobieren. Andererseits erfahre ich während der Google-Suche, dass "Lumumba auf dem Frankfurter Weihnachtsmarkt" ein angesagtes Thema ist. Kein Problem. Verbinden Sie einfach beides auf kreative Weise, aber in der richtigen Reihenfolge, damit sich keine logischen Fehler einschleichen. 😉
Siehe auch: Der Nikolaus braucht Gummistiefel, #KI, #Tabletop
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