Mittwoch, 25. Dezember 2024

Panaudium

27 mm | 1/180 s | f1,6 | ISO 50 | Smartphone

#Weihnachtsengel oder auch #Jahresendflügelfiguren

Eigentlich wollte ich zu diesem Bild etwas über das Phantomwort Jahresendflügelfigur erzählen, aber dieses Mysterium erschien mir nicht so mysteriös, wie Weihnachten im Mutterhome. Sind Sie schon fertig mit Feiern im Familienkreis, oder haben Sie das volle Drei-Tage-Paket gebucht? 😅
Als mein Mann heute früh versuchte, seine Eindrücke des gestrigen Tages zu beschreiben, fiel ihm das Wort Panaudium ein. Diesen Begriff gibt es tatsächlich, wenn man im Internetz danach sucht. Ganz eindeutig definiert ist er wohl (noch) nicht, hat aber auf jeden Fall etwas mit der Wahrnehmung von Musik, Klängen und Geräuschen zu tun.  

Ein Panaudium ist nicht nur der Raum, in dem man etwas hört, sondern auch das, was man hört, (egal ob man es versteht oder nicht), plus sämtliche sich daraus ergebenden subjektiven Reaktionen sowie die nachfolgenden Interaktionen zwischen allem, was sich im Panaudium befindet. Einfacher ausgedrückt:

"Klänge evozieren innere Bilder, auf die wir emotional reagieren: Die Hupe schreckt auf, das Wiegenlied lullt ein. Die Hupe im Wiegenlied - verblüfft! Unerwartete Kontraste befeuern unser Kopf-Kino", so beschreibt es die Compagnia di Punto auf ihrer Webseite unter "Konzertformen".
Da muss ich zwangsläufig an John Cage denken, der gestern der Welturaufführung des Werks "Wider die Friedhofsruhe" hätte beiwohnen können.

Es war also eine Art interaktives Weihnachtskonzert, bestehend aus mehr oder weniger zusammenhängenden Gesprächsfetzen, mit Intermezzi von Gekicher. Vorgetragen wurde das mehrstündige Werk vor dem Hintergrund einer meist leisen, doch stets knapp an der Hörgrenze  wahrnehmbaren Dauerbeschallung aus dem TV-Gerät im ADHS-Zappmodus. Ich hörte jemanden ein Weihnachtslied singen,  Männerstimme, Ton vorübergehend sehr laut: Heino? Nein, Markus Söder im Bayerischen Fernsehen. "Der kann aber gut singen!", staunte die Mutter.
Vom dissonanten Kleindkinderweihnachtschor erfolgte ein nahtloser Übergang zu den MTV Weihnachts-Classics. Werbepause, Schlagerkanal. Weiterreise zu Mythen, Orte und Legenden, in denen sich geisterhafte Erscheinungen und echte Gespenster ein Stelldichein gaben. Ein akustisches und visuelles Spektakel, das durcheinanderer nicht hätte sein können: Ein Fernsehkoch erschien, dann wieder der Legenden-Moderator, dazwischen tauchte ein U-Boot aus dem Kalten Krieg auf. - "Gibt es heute keine Nachrichten?" - Nach einer weiteren Werbung gab es die Geschichte von und über die Hinrichtung von Guy Fawkes, bis ein niedlicher tierischer Animationsfilmcharakter in einer Badewanne eine Wendeltreppe hinunter rauschte. Erneut bei MTV angekommen trug mein Mann zum Gelingen der Konversation bei: "Das ist die Sarah Connor, die ist aus Bremen!"

"Das ist doch kein Weihnachtsprogramm!", wetterte die Mutter zwischendurch, nur um Sekunden später beim Anblick eines Darts-Spielers auf Sport 1 in lautes Gelächter auszubrechen. "Warum sind die (Dartsspieler) alle so dick?", fragte sie schnappatmend in den Raum. "Weil sie viel Bier trinken", klärte ich das Rätsel auf, und war froh, dass es wirklich viel Geschirr zu spülen gab. So konnte ich dem Panaudium eine Zeitlang den Rücken kehren, und nur mit Töpfen klappernd signalisieren, dass ich noch vor Ort bin, während mein Mann meiner Mutter die Darts-Regeln erklärte. 😝 Mein Rentiergeweihkopfschmuck wurde im späteren Tagesverlauf nur von der Kopfbedeckung meines Bruders übertroffen: einer giftgrünen Schirmmütze Modell Saharaexpedition. Gottseidank hat niemand "Stille Nacht" gesungen.

Heute früh haben wir uns gefragt, ob Weihnachten 2024 grotesk oder kafkaesk war. "Dieser Begriff leitet sich aus der Grundstimmung zahlreicher Werke Franz Kafkas ab, in denen die Protagonisten in undurchschaubaren, bedrohlichen Situationen von düsterer Komik bis Tragik agieren" (Wikipedia). Grotesk wiederum bedeutet wunderlich, verzerrt, seltsam, oder übertrieben. So sind wir zum Schluß gekommen, dass es in Summe ein kafkaeskes Panoptikum innerhalb eines grotesken Panaudiums war, und definitiv ein ebenso einzigartiges wie erschöpfendes Gesamtkunstwerk. Hätten wir die Frau aus der Schachtel auch noch mit eingeladen, wäre das Internet weltweit abgestürzt. 😂

Heute vor einem Jahr: Magische Mistel

Siehe auch: ESC-Muttertag, Hey Baby, wo geht's zum Kornfeld?, Musikantenstadl, Überkomplexe Vorstellungskraft, Zu langsam!, Hoppala..., Die Stimme aus der Schachtel, Unerklärliche Gespräche, Erkenntnis des Tages, #Deko, #Kitsch, Schau mir in die Augen...

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