Freitag, 19. Dezember 2025

Monochrome Weihnacht

42 mm | 1/120 s | f2,2 | ISO 50 | Smartphone

 #Weihnachtsdeko  #Licht&Schatten  
#minimalistisch #monochrom
#Muttergeschichten  #Pflegeheim
#Winter25

Der Begriff monochrom wird oft als Schwarz-Weiß verstanden, beschreibt jedoch ein Bild, bei dem alles im Bild als Schattierungen einer einzigen Farbe erscheint, und das kann jede beliebige Farbe sein. Dieses Foto ist monochrom, es sieht Schwarz-Weiß aus, und ist auf technischer Ebene dennoch ein Farbfoto. Es sind halt keine Farben im Motiv. 😉 Bis auf einen leichten Zuschnitt ist es außerdem komplett unbearbeitet. Der Gedanke dahinter lautet: 'Weihnachten wirft seine Schatten voraus'.

Erwartungsgemäß bin ich, ziemlich knapp vor dem Fest, nochmal mit einer Einkaufsliste aus dem auf den Vormittag verlegten Pflegeheimbesuch gekommen. Meine Mutter ist komplett überfordert von der neuen und somit völlig ungewohnten Situation, das Weihnachtsfest im Pflegeheim zu feiern. 😓

Sie macht gerne Geschenke, kann aber ohne mich nichts mehr organisieren oder besorgen. Wenn ich ihren Wunschvorstellungen folgen würde, bräuchten wir einen Goldesel. Wenn wir es so machen, wie ich es für angemessen hielte, wäre sie total unzufrieden, um nicht zu sagen angepisst, also braucht es - alle Jahre wieder - einen stimmigen Kompromiss.

Auch für mich ist die aktuelle Situation neu, und eine gewisse Herausforderung. Vor lauter Orga-Besprechung und Bericht-Entgegennahme über das "Hier-Ist-Immer-Was-Los", hatte ich meine Fahrradhandschuhe auf ihrem Zimmer vergessen, musste also den ganzen langen Weg nochmal hin und her laufen. Das ist einerseits nervig, andererseits gut für die Schrittbilanz. 
Es erfüllt mich gerade mit einer gewissen Dankbarkeit, dass ich in der Lage bin, diesen ganzen Kram zu stemmen. Eigentlich ist das selbstverständlich? Das war es für meine Mutter früher auch. Sie ist selbst ziemlich unglücklich über die Erkenntnis, dass sie nicht mehr in der Lage ist, etwas strukturiert zu planen oder zu organisieren. Das liegt teilweise auch der Heim-Umgebung, in der sich andere Leute um die wichtigsten Dinge kümmern, so dass diese Fähigkeit nicht weiter trainiert, weil selten gebraucht wird. Altersbedingte Vergesslichkeit kommt obendrauf, und da nützt es herzlich wenig, wenn man in der Therapiestunde beim Stadt-Land-Fluss noch ein paar Erinnerungen hervorkramen kann. 

Wir denken nicht so gerne an die Möglichkeit, dass alles, was ganz selbstverständlich ist, irgendwann nicht mehr wie gewohnt 'funktioniert'. Es fängt an mit der Einkaufstüte, die zu schwer wird, oder mit einer Treppenstufe als unüberwindliches Hindernis. Im Pflegeheim sehe ich die anderen Angehörigen, die mit ihren Eltern oder Partner*innen in der Cafeteria sitzen. Im besten Fall führen sie Gespräche oder vertreiben sich die Zeit mit Brett- oder Kartenspielen. Andere Bewohner*innen können nicht mehr alleine essen, dann helfen die Angehörigen. Sabbernde Babys füttern ist normal, aber alte Menschen... 

Ein schrecklicher Anblick!, höre ich manchmal von Leuten, die sich dieser Realität nicht aussetzen wollen. Für mich ist das so normal geworden, wie für andere die aus einem ToGo-Doppelwhopper triefende Soße, was ja auch kein erbaulicher Anblick ist. Ohne Besteck essen? Für meine Mutter war Fast Food allein deswegen ein NoGo. Neulich hat sie beim Pflegepersonal vehement protestiert, weil es beim Essen keine Papierservietten gab, sondern nur eine Art Kleenex-Tücher. Klopapier auf dem Tisch!? Unfassbare Zustände. 😅

Als wir heute wieder einmal den Menüplan für die zweite Januarwoche ausgefüllt haben, stand ein Gericht mit Bandnudeln in Soße zur Auswahl. Die sind lang und schwer zu bändigen - Soßenspritzer auf dem Pullover sehr wahrscheinlich. Also fragte ich vorsichtig nach, ob das geht, oder ob das vegane Gericht vielleicht die bessere, weil handhabbare Menüvariante gewesen wäre.
"Die Nudeln schneide ich mir immer klein", erklärte meine Mutter selbstbewusst, also ja. 👍 Sie erzählte diesmal nicht die Geschichte von meinem Großvater, der in ihrer Jugend speziell mit den schlabbernden Bandnudeln oft für großes Gelächter am Tisch gesorgt hatte. Ob er das absichtlich oder unabsichtlich getan hatte, lässt sich nach der langen Zeit nicht mehr mit Sicherheit rekonstruieren. Mein Großvater war Jahrgang 1892, ich habe ihn also nicht mehr kennengelernt. Auch meine Großmutter ist - unerwartet - früh und schnell verstorben, so dass meine Mutter nur kurzfristig mit der Frage konfrontiert war, wer sich um die Oma kümmert, wenn die nicht mehr kann. 

Kennen Sie die Geschichte der Gebrüder Grimm, eine moralische Parabel vom alten Großvater und dem Enkel? "Das Märchen ist völlig untypisch für die Sammlung der Brüder Grimm, es handelt sich mehr um eine kurze belehrende Erzählung. Zudem enthält es weder märchenhafte noch unwahrscheinliche Elemente, das Märchen könnte, so wie es geschrieben ist, geschehen sein", erläutert Wikipedia. Ob Sie es lesen wollen, überlasse ich Ihnen. Als Alternative finden Sie bei den weiterführenden Links den lesenswerten Artikel eines farbenblinden Fotografen. 

Ich kann gut nachvollziehen, wenn jemand um das Thema Pflege(bedürftigkeit) einen großen Bogen macht. Auch ich hoffe, dass es mich eines Tages nicht (so hart) trifft. Dankenswerterweise gibt es Menschen, die Pflege zu ihrem Beruf gemacht haben, und sie verdienen nicht nur, aber speziell an Weihnachten zumindest eine kleine Aufmerksamkeit. Also habe ich ein bisschen Vorweihnachtsstress und nochmal eine Einkaufsliste, die ich generalstabsmäßig abarbeiten werde. Ob wir am Heiligen Abend wirklich in der Cafeteria essen können, hat sich heute als neue Herausforderung entpuppt: Wegen Krankheit ist der Betrieb morgen und übermorgen geschlossen, am Montag oder Dienstag entscheidet sich dann, wie der Mittwoch läuft. 

Mein Plan B lautet: Lieferando bringt Schnitzel und Pommes, ich kümmere mich um die Servietten. Was meinen Sie? Muss ich dann auch Teller und Besteck in den Rucksack packen, und falls ja: Für wieviele Personen? 😜 Ich habe keine Ahnung, und das wiederum fordert und fördert mein Improvisationsgeschick. 

Heute Abend ist im Heim auf jeden Fall "Einstimmung auf Weihnachten" mit Punsch und Plätzchen,  und meine Mutter will bei der festlichen Abendveranstaltung vorbeischauen. 🎄👍 Und so kann ich am Wochenende auch mal die Füße hochlegen - im Fitnesstudio auf der Bauchmuskelmaschine. 😂

Siehe auch: Licht und Schatten, Blattsalat zum Welt-Nudeltag, Farbenlehre, Improvisationsadvent, #monochrom, #Schatten#minimalistisch

Weiterführende Links

  • Monochom - Wikipedia
  • Monochrom: Mehr als nur Schwarz-Weiß - Der Kunstfotograf Chris Ward erklärt, wie man mit einer anderen Wahrnehmung von Farben Bilder macht bei canon.de
  • Der alte Großvater und sein Enkel - Kurzversion bei Wikipedia oder grimmstories.com

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