Mittwoch, 3. Dezember 2025

Oh, du Grauenvolle...

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 #Weihnachtsbaum mit #Wischeffekt
#Muttergeschichten  #Winter25

Wenn Sie Blockflötenkonzerte lieben oder gar selbst ein solches Instrument spielen, dann muss ich mich gleich vorneweg bei Ihnen entschuldigen. Es ist ja wirklich so ziemlich alles Geschmackssache, und das meine ich ganz ernst. Ob es um Kalbslebergeschnetzeltes oder vegane Ernährung geht, um Zippi-Zappi, Schlager oder Blockflöte, RTL oder arte im TV - da hat jeder Mensch seine ganz eigenen Bedürfnisse und Befindlichkeiten. Das Gute ist meistens, dass man sich aussuchen kann, womit man sich ernährt oder unterhalten lässt. 😅 Fangen wir bei der Ernährung an, denn da gab es im Pflegeheim gerade wieder einen Eklat: Die Mittagstisch-Rebellion. 

Grundsätzlich ist es so, dass alle Bewohner drei bis vier Wochen im voraus eine Liste erhalten, auf der sie für das Mittag- und Abendessen eins von zwei unterschiedlichen Gerichten auswählen können. Eines davon ist vegetarisch oder vegan, das andere eher traditionell. Menschen Ü80 sind meistens Traditionalisten, wählen also lieber das Fleischgericht anstatt veganes Geschnetzel aus irgendwas. Manchmal sind die Nudeln mit Tomatensoße die vegane Variante, das geht natürlich immer, auch bei den Traditionalisten. 😋

Wenn die Liste kommt, gehe ich die Bestellung mit meiner Mutter gemeinsam durch, weil das schneller geht, als wenn sie das alleine machen muss. Andernfalls muss eine Pflegekraft jedem einzelnen Bewohner den kleingedruckten Menüplan vorlesen und beim Ankreuzen helfen, und das kostet echt viel Zeit. 
Zu meiner Überraschung hatte meine Mutter sich letztens für ein veganes Gemüsegericht entschieden, weil Reis mit dabei war, und den mag sie gerne. Also kam das traditionelle Kalbslebergeschnetzel nicht in Frage, und genau das hatten an diesem Tag alle anderen Bewohner auf der Station bestellt. 

Es muss so gräßlich geschmeckt haben, dass alle ihre Teller von sich geschoben haben. Aufruhr!, und was für eine. 😡😒😥😩😰😤😭😬😫

Caruso, der nach Aussagen meiner Mutter normalerweise nicht heikel ist, war so erzürnt, dass er vom Tisch aufgestanden und mit seinem Rollator zum Aufzug gestürmt ist. Ab in die Küche, die sich im Untergeschoß des Hauses befindet. Von dort hat er den Küchenchef nach oben zitiert. Der hatte gar keine andere Wahl, denn Caruso kann ordentlich poltern und laut werden, wenn ihm etwas nicht passt. Der Küchenchef kam also in den Wohnbereich und erhielt im Essraum eine halbe Stunde lang "intensives Feedback" der Bewohner. Meine Mutter saß derweil vor ihrem prall gefüllten Teller, genoss schweigend ihr veganes Mittagessen und verfolgte das Szenario mit regem Interesse. 😋😆 Dass "vegan" bei ihr einmal der große Renner sein würde, hätte keiner von uns je ahnen können. 😂

"Ich bin hier wirklich in einem Irrenhaus 😜 gelandet",  merkte sie sarkastisch an, aber ich weiß, dass sie es mag, wenn auf Station "etwas los ist". Dann hat sie nicht das Gefühl, "unter Halbtoten" zu sein. Auch ihr schmeckt nicht jedes Gericht, und manchmal beklagt auch sie sich. Ihre Beschwerden sind seltener geworden, weil sie anscheinend eine gute Strategie für ihre Bestellungen entwickelt hat. Der Koch wiederum hat sich die Beschwerde der Bewohner angehört und nachgefragt, was genau an der verschmähten Speise nicht gefallen hatte. 👍
Für mich ist das Ereignis zumindest ein gutes Zeichen in Sachen Feedbackkultur, wenngleich es schöner wäre, wenn es eine solche Bewohner-Rebellion gar nicht erst bräuchte. Sie zeigt andererseits, dass sich die alten Leute nicht alles gefallen lassen, Widerspruch einlegen und bei Bedarf selbst zur Tat schreiten. 💪

Nachdem meine Mutter mir diese Episode erzählt hatte, stand die Frage im Raum, ob wir einen Blick in die Cafeteria werfen wollen. Das Problem: gestern Nachmittag gab es dort eine weihnachtliche Veranstaltung. Es war nicht die allgemeine Weihnachtsfeier, sondern eine separate Extra-Veranstaltung - also eine Art "Weihnachtskonzert". 🪈🎵🎤
Daran hätte meine Mutter teilnehmen sollen, wollte sie aber nicht. Sie hatte das "Schwarzhemd" (die Veranstaltungsorganisatorin) wieder weggeschickt, weil mein Besuch anstand. In der kalten Jahreszeit gibt es leider wenig Ausweichmöglichkeiten, der Garten ist im Winter gesperrt und sowieso zu kalt. Wenn die Cafeteria Veranstaltungszone ist, kann man sich trotzdem Getränke oder kleine Snacks an der Theke holen. Dazu müsste man die voll be-rollstuhlte und ver-rollatorte Zone durchqueren, und bekommt unweigerlich mit, was auf der Bühne vorgetragen wird. In diesem Fall: Traditionelle Weihnachten, mit Gedichten, Weihnachtsliedern zum Mitsingen und ... Blockflötengetute 🪈🪈🪈. Ich weiß, dass meine Mutter damit gar nichts am Hut hat, und ich gleich zweimal nicht. Wir wollten in eine stillere Ecke jenseits der Veranstaltungszone, aber unser Weg dorthin führte genau durch eben diese. 😬

Ich schob meine Mutter in ihrem Rollstuhl also erst mal vorsichtig um die Ecke, von der aus man einen Blick auf die Cafeteriazone werfen kann. Es war rappelvoll. Alle waren da, die anderen Mitbewohner der Station und natürlich das Schwarzhemd. In diesem Moment herrschte eine ungewohnte, feierliche Stille, weil jemand ein Gedicht vortrug. Weit entfernt im Publikum sitzend, halb verdeckt von einem Pfeiler und einer der großen Zierpflanzen, erspähte ich Caruso. Der hatte uns schon von weitem entdeckt, und winkte uns energisch zu, auf dass wir uns zu ihm gesellen sollten. Auch das Schwarzhemd winkte uns einladend herbei, während wir noch skeptisch ums Eck spähten, bereit, jederzeit auf dem Absatz kehrtzumachen. 😅

Als die - für uns unsichtbare - Blockflötengruppe anfing zu spielen war der Moment der Entscheidung gekommen: "Das halte ich nicht aus!", flüsterte ich meiner Mutter ins Ohr. Sie kicherte amüsiert und wir kehrten schnurstracks zurück in den Wohnbereich. Der war gähnend leer, also absolut ruhig. Weil auch die Zimmermitbewohnerin meiner Mutter unten in der Veranstaltungszone war, hatten wir einen ausgesprochen angenehmen Gesprächsnachmittag. Dazu gab es die von mir mitgebrachten Spekulatius, Kaffee aus der Stationsküche, und für die Mutter den üblicherweise auf dem Zimmer vorrätigen Wein. 😊

Was dabei sonst noch an Kuriosem geschah, erzähle ich Ihnen beim nächsten Mal.  😁
Auch wenn Blockflöte und Kalbsgeschnetzeltes nicht überzeugen konnten: Die Weihnachtsdeko im Heim ist ganz toll ✨, und der festlich geschmückte, große Weihnachtsbaum🎄im Foyer wirklich wunderbar. Nächste Woche kommt der Nikolaus 🎅. 

Weiter mit: Improvisationsadvent

Siehe auch: Vegan?StiftausleiheSoziales MediumCountry RoadUnterhaltung(en)Ausgerechnet Zippi-ZappiRudelsingenSommerkonzert, Wundertüte, PillenrevolteJetzt doch!Sicher!, Tummidemmi!Pillenrevolte#Muttergeschichten oder Arbeitsmusik

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