24 mm | 1/100 s | f2,2 | ISO 64 | Smartphone |
#Wetterwarnung #Schnee #Eisglätte
#Winter2025
#Muttergeschichten
Kennen Sie das Spiel Packesel? Gestern habe ich eine zweite Tasche mit Kleidung ins Pflegeheim gebracht, und mir die dicke Winterjacke meiner Mutter über meine eigene gezogen, weil in der Tasche kein Platz mehr für dieses leichte, aber voluminöse Teil war. Ich glaube es ist gar nicht weiter aufgefallen, dass ich zwei Jacken übereinander anhatte, mit Rucksack auf dem Rücken und Reisegepäck in der Hand. 😅 Zu warm ist es mir auch nicht geworden, es ist ja Winter und kalt draußen. Heute ist es außerdem glatt, also bleibt mein Pegasus weiterhin stehen.
Ich habe meine Mutter gefragt, ob sie in ihrer neuen Umgebung friert, und ihre erstaunliche Antwort lautete: "Nein, es ist ja Sommer." Okay. Das spricht für die Unterbringung: Die Räume sind sehr gut geheizt, seniorengerecht eben, und vor allem barrierefrei.
Nach fünfzehn Tagen Unfallklinik war endlich Schluss mit dem Krankenhausnachthemd, es gab wieder normale Kleidung für die Mutter, fast wie zuhause. Allein bewegen kann sie sich noch nicht, also wurde sie in einen elektrisch betriebenen Monstersessel gesetzt und durchs Haus gefahren. Nach der ärztlichen Untersuchung hatte sie in der Stations-Cafeteria die erste mehr oder weniger unheimliche Begegnung mit anderen Seniorinnen und Senioren.
Von außen betrachtet ist sie momentan vermutlich eine der körperlich angeschlagensten Figuren im Kreis der Bewohner*innen, aber es geht nicht um Fakten, sondern um die gefühlte Realität. Und diese Realität sagt meiner Mutter: Sie passt nicht in eine Truppe von Alten und Halbtoten.
Das hat sie anscheinend so in Rage gebracht, dass sie in der Cafeteria gleich mal einen Vortrag gehalten hat. Ich verstehe sie zwar kaum, wenn ich neben ihr an der Bettkante sitze, weil sie Mühe mit dem Atmen hat, und folglich auch mit dem Sprechen, aber ich weiß ja nicht, wie das mittags in der Cafeteria war. Sie muss auf jeden Fall Aufmerksamkeit erregt haben, mit ihrer Bergpredigt, wie sie es selber nannte. Sinngemäß ging es wohl um die Frage, was man mit seinem Leben noch anfangen könnte, anstatt halbtot herumzusitzen und im Sessel zu schlafen. 😲
Es muss wohl Mitbewohner*innen gegeben haben, die ihr zugehört haben, und jetzt bin ich gespannt, ob meine Mutter auch in den nächsten Tagen Mittagspredigten hält. Ich war heute selber beim Arzt und nicht bei ihr, weil ich ja fit bleiben will, also Vorsorgetermine wahrnehmen. Es ist Zeit das Buch zu schreiben, das meine Mutter gerne über sich selbst schreiben würde, aber nicht mehr kann, weil sie ja selber nicht mehr schreiben kann.
"Ich mach das", habe ich gestern zu ihr gesagt, und das fand sie gut. Jetzt muss sie also weiter Material liefern, neuer Standort, neue Episoden. Die Netzflix-Mutterserie geht in die nächste Staffel, unerwartete Wendungen inklusive. Es wird ein Tausend-Seiten-Roman, oder ein Epos à la Herr der Ringe. 😜
Die Rahmenbedingungen sind jetzt auf jeden Fall viel besser als in der Klinik, und die noch anstehenden neun Tage bis zur Verlegung in die Reha werden schneller vorbei sein, als wir uns umschauen können.
Siehe auch: Transformation, Schmodderschnee, Helau!?, Eisplattenreport 12/23, Wetter bewegt, Fräulein Smilla beobachtet den Schnee (2), Fräulein Smilla beobachtet den Schnee (1), Schneedecke, So präzise wie möglich, Neustart Kultur 2021
Weiterführende Links
- Bergpredigt - Wikipedia, EKD
- Packesel - schmidtspiele.de
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen