Müllmän

27 mm | 1/170 s | f1,6 | ISO 50 | Smartphone
#Colorkey

 #ToGo  #Müll  #Pizzakarton und mehr

"Was macht dein Müllfotoprojekt?", hatte mich neulich einer meiner Fotofreunde gefragt, als wir zusammen auf Fotopirsch waren. Er machte mich auf ein Motiv aufmerksam, das ich links liegengelassen hatte. Ich habe ihm signalisiert, dass ich das Projekt nicht mehr konsequent verfolge. Es ist nicht so, dass es am Straßenrand keinen Müll mehr gäbe, ganz im Gegenteil 😓, aber in meinem Archiv gibt es mittlerweile genug "Müllbilder". Deshalb greife ich nur noch zur Kamera, wenn es sich um ein besonders interessantes oder zeitgeschichtlich wertvolles Arrangement handelt. 😏

Warum also dieses Bild? Mein Mann hatte mir einen Artikel weitergeleitet, der sich mit dem Phänomen der Pizzakartons beschäftigt: Die Stadt Köln testet seit Juli neue Mülleimer, in denen sich die Pizzakartons einfach und bequem entsorgen lassen. Der Autor des Artikels echauffierte sich ziemlich über diese Aktion, weil er die Ansicht vertritt, dass man den Pizzakonsumenten mit solchen Spezialbehältnissen das Leben unnötigerweise erleichtert, und ihnen somit das Denken und die Eigenverantwortung abnimmt. Die Leute sollen ihre Kartons gefälligst falten, und in die bereits vorhandenen Mülleimer werfen! 

Das ist prinzipiell richtig, aber... wie oft essen Sie Pizza, die in solchen Schachteln über den Tresen gereicht wird?

Ich mache das so gut wie gar nicht, weil diese Speise generell nicht zu meinen Favoriten zählt. Trotzdem kenne ich diese Pappkartons: Sie sind voluminös, schwer zu falten, und gerade wenn man das tut, blockieren sie das jeweilige Müllbehältnis. Die oftmals runden Eimer sind für dieses sperrige Format nicht ausgelegt, und das Eckige im Runden ist per se eine Aufgabe für Origami-Fetischisten. 😅

Die Kartons sind mit einer Kantenlänge von bis zu 40 cm sind zu groß, oder die Mülleimer zu klein, egal ob zuhause oder im öffentlichen Raum. Lediglich die blauen Altpapiercontainer sind passable Orte, an denen der gemeine Pizzakarton - flach und nicht zusammengefaltet - zwischen den vielen braunen Verpackungskartonagen seine letzte, artgerechte Ruhestätte findet. Hoffentlich war der Hausmeister so gnädig, dass man den Deckel der großen Tonne anheben kann, denn auch an diesen Behältnissen ist der Schlitz für größere Pappmüllreste zu schmal... also Origami. 

Dass viele Leute ihre Kartons einfach dort liegen lassen, wo sie ihre fettige Pizza gemampft haben, ist die eine Sache, die ich auch verwerflich finde. Man sieht aber auch immer wieder, dass der gute Wille zur ordentlichen Müllentsorgung vorhanden ist: Glasflaschen und Pizzaschachteln stapeln sich oft neben bereits (über)vollen Mülleimern. 
Ich glaube es war auf Island, in Reykjavík, wo man versucht hat, dem globalen Pizzakartonmüllproblem zu begegnen, indem man die Pizzen geviertelt 🍕 verkauft, und somit in kleineren Kartons abgibt. So richtig geholfen hat das nach meiner Beobachtung auch nicht. 

Menschen lieben Pizza, 😋 die meisten jedenfalls, und das wird sich auch so schnell nicht ändern. So stehen wir erneut vor der generellen ToGo- und Müllfrage. In vielen Kommunen wird das Verpackungsproblem durch speziele Steuerabgaben geregelt, die den Gemeinden extra Einnahmen verschafft, die dann wieder für die extra Müllentsorgung ausgegeben werden muss - Arbeitsplätze. Ich sehe sie jeden Morgen fahren und laufen, bewaffnet mit Besen und Schaufeln. Mit Greifzangen und Mülltüten schreiten die fleißigen Männer über Spiel- und Bolzplätze, die Auf-und-Ab-Wege entlang, und sammeln den ganzen Dreck wieder ein, den andere fallengelassen haben. 

Das sind meine Helden, und ich finde, man sollte ihnen ein Denkmal setzen: Nach Superman, Spiderman und Batman ist es Zeit für Müllmän! Meinetwegen auch Müllwummän, obwohl ich bisher noch keine Frau im Gelände gesichtet habe. Prinzipiell steht dieser Beruf allen offen, scheint beim weiblichen Geschlecht aber nicht so beliebt zu sein.

Können Sie Comics zeichnen? Dann los. Aber machen Sie bitte, um Himmels Willen, kein blödes Umwelt-Erziehungscomic für Kinder aus meiner Idee. Müllmän und/oder Müllwummän sollten krasse Typen sein, mindestens so furchteinflößend und technisch versiert wie Batman, gleichzeitig aber auch gesegnet mit ganz viel Humor und Menschenliebe. Vorstellbar wäre auch ein ganzes Müllmän-Team, oder eine Müllfämmilie. 😎 
Designen Sie dazu natürlich auch das passende Müllmöbil und eine autonom schwebende Müllitütendrohne. Als Vorlage könnte das schicke Bell V-280 Valor Kipprotor-Wandelflugzeug dienen: Der 540 km/h schnelle Senkrechtstarter hat ganz große Türen und eine Nutzlast von viereinhalb Tonnen! 😁 Ein Teil dieser verfügbaren Nutzlast geht natürlich für die dringend benötigte Müllpresse drauf, oder auch - im Fall von Pizzakartons - eine futuristische Falteinrichtung, mit der die Pappe in Sekundenschnelle ins Streichholzschachtelformat zerlegt und komprimiert werden kann. Ich meine: Da gibt es ganz viel Potenzial für geniale neue Erfindungen. Im Land der Dichter und Ingenieure sollte sowas doch umsetzbar sein, anstatt immer nur herumzunörgeln. 😀

Wussten Sie...
"Der britische Maler und Konzeptkünstler Adam Neate nutzt Wellpappe von Kartons und speziell aufgefaltete Pizzakartons als preiswerten Leinwandersatz. Auch der US-amerikanische Künstler John Landsiedel verwendet geschlossene, durch ein inneres Holzgestell verstärkte Pizzakartons als Leinwandersatz. Seine Kunstwerke stehen durch die Bemalung aller sechs Seiten zwischen konventionellem Bild und Skulptur. Er malt ausschließlich mit Acrylfarben, zur Konservierung von Farben und Pizzakarton überzieht Landsiedel die fertigen Werke mit einer Epoxidschicht.  (...)
Die Pizzakarton-Rücknahmestelle der Stadt Waldkirch wurde im Herbst 2021 Teil der Ausstellung „Ins Freie“ der Pinakothek der Moderne in München." 😲 (Wikipedia) 

Ob die Designer in Köln und Düsseldorf von diesem Kunstwerk wissen, und sich dieses Modell schon mal angeschaut haben? Ende September ist der Versuch zu Ende, dann erfahren wir, wie es weitergeht. 😂 Fertigen Sie derweil ein innovatives Kunstwerk aus Ihrer nächsten Pizzaschachtel. Udo Lindenberg hat seine Likörelle mit Likör gemalt, Sie können - stilgerecht - die Reste der Tomatensoße upcyceln. Überziehen Sie Ihr Werk hinterher natürlich auch mit einer Epoxidschicht, sonst ist sie im Museum nicht lange genug lagerfähig. 😏

Siehe auch: Pizzarandliegenlasser!, Salat: Ob der wohl gesund ist?,  Vom Sushi wär' noch was da, Seafood & Chips, Schlapp ToGo, Tropische Nacht, Und wer ist dein Herzblatt?, Doch kein Apfel, Lecker!, #ToGo, #Colorkey, Michelangelo, der Straßenkehrer, Aprilwetter im Oktober

Weiterführende Links

• Pizzakarton - Wikipedia
• Übersicht über verfügbare Pizzakartongrößen und deren Preise - KK-Verpackungen 
• Origami - Wikipedia
• Köln testet Extra-Abfallbehälter für Pizzakartons - WDR,  Video bei Lokalzeit Köln (Juli 25)
• Köln bekommt Steuer auf Pizzakartons und Kaffeebecher - Kölner Stadt-Anzeiger (Januar 25)
• Warum es in Hamburg Müllfrauen gibt und in Berlin nicht - Spiegel (2016) 
• Unterwegs mit der Müllabfuhr - Müllfrau Lissy - BR (2022) 
• Bell V-280 Valor - Wikipedia 
• Udo Lindenberg: Likörelle - Homepage