Montag, 3. April 2023

Lecker!

Überlebenszeichen - Zukunftsarchäologie

"Kaugummi darfst du keinesfalls runterschlucken", lernte ich als Kind, "weil dir sonst der Magen zuklebt."
Ich glaube ich habe nachgefragt: "Und was passiert dann?"
"Dann musst du ins Krankenhaus, und dann müssen sie dir den Bauch aufschneiden!", erklärte meine Mutter. Bevor ich alt genug war, um Kaugummi kauen zu dürfen, hatte ich einmal ein silbernes Amulett mit einer Schutzheiligen verschluckt. In heller Aufregung war meine Großmutter mit mir sofort ins Krankenhaus gefahren. Dort hatten wir stundenlang gewartet, und ich wurde geröntgt. Die Schutzheilige war noch in mir, wie man meiner Großmutter bestätigte, aber herausholen konnte man sie nicht mehr. Aber sie beruhigten meine Oma: "Die kommt von alleine wieder raus", erfuhren wir, und fuhren wieder nach Hause.
Ein paar Tage später bestätigte meine Oma erleichtert: Das Amulett war wieder da. Woher sie das nur wusste... 😅 Wo meine Schutzheilige danach geblieben ist, weiß ich nicht, ich bekam sie jedenfalls nicht mehr zu Gesicht. Beim Kaugummi war ich mir nicht sicher, ob ein Verschlucken genauso so glimpflich enden würde. Ein Kaugummi ist ja auch keine katholische Schutzheilige, und nicht aus Silber. Gold kann man ja auch essen. Es schmeckt nach nichts und geht keine Verbindung mit dem Körper ein. Es kommt also auch wieder raus, und da bekommt das Sprichwort "aus Scheiße Gold machen" eine ganz pragmatische Bedeutung. 

"Jeder kann Kaugummi machen. Der Trick ist, ihn zu verkaufen", wusste schon William Wrigley Jr., der durch den Verkauf von Kaugummi zu einem der zehn reichsten Männer der Vereinigten Staaten wurde.

Es gibt Kaugummis zur Raucherentwöhnung und selbst die Zahnmedizin empfiehlt sie. Im Idealfall sind diese Dinger zahnfreundlich, sie steigern angeblich die Konzentrationsfähigkeit und wirken appetitzügelnd. In den 1950er Jahren galten sie in Deutschland als ein Symbol für den American Way of Life, waren ein Symbol der Jugend und der Rebellion. Bei uns klebten sie unter den Schulbänken. 😬

Langlebig!
Der älteste Nachweis für eine Art Kaugummi wurde von Archäologen in Schweden gefunden. Vor knapp zehntausend Jahren hat man im hohen Norden Birkenpech gekaut, vermutlich als Heilmittel gegen Zahnschmerzen. In diesen uralten durchgekauten Birkenpech-Relikten konnte man noch menschliche DNA-Spuren finden. Mit modernen Kaugummis geht das natürlich auch, und das ist super für Kriminologen. Archäologiebegeisterte und DNA-Bastler in weiteren fünftausend Jahren werden die halbe Menschheit rekonstruieren können, falls wir aussterben, denn es wird viel Kaugummi gekaut in unserer Epoche. Weil Kaugummi aus Plastik besteht, wird uns das Produkt, wenn es nicht fachgerecht entsorgt und verbrannt wird, um Jahrhunderte bis Jahrtausende überdauern.

Geheimnisumwittert!
Anfangs bestand die Kaumasse noch aus natürlichen Rohstoffen wie Fichtenharz und Chicle aus Südamerika. Die wachsende Nachfrage führte zu heftigen Verwicklungen in Südamerika, es gab nicht mehr genug Chicle, und, um es kurz zu machen: Man war herstellerseitig sehr froh, als in den 1950er Jahren die Kunststoffpolymere verfügbar waren. Sie gelten bis heute als gesundheitlich unbedenklich. 😋

Den schnöden Kunststoffpolymeren werden Aromen, Zucker und Süßstoffe hinzugefügt, damit sie schmecken; die Rezepte sind Geschäftsgeheimnis und müssen nicht offenbart werden. Wer weiß schon so genau, was beim Kauen eines Polymers entsteht, wenn verschiedene Weichmacher, Füllstoffe und Texturgeber, Öle und Emulgatoren sowie Antioxidantien mit im Spiel sind. Da hat man ein lupenreines Chemielabor im Mund. Ist die Masse ausgekaut, klebt sie wie Hulle auf der Straße, nebst Spucke und DNA. Anschließend lässt sich das Konglomerat mit keinem noch so krassen Lösungsmittel wieder entfernen. 

Ich verstehe echt nicht, wieso sich die "Letzte Generation" mit Sekundenkleber begnügt, wenn es doch Kaugummi gibt! Meine Mutter hatte schon recht: Das Zeug sollte man keinesfalls runterschlucken. Eigentlich sollte man es sich gar nicht erst in den Mund schieben, aber wenn's doch mal passiert ist: am besten gleich hinterm nächsten Baum wieder ausspucken. Gestorben ist am Kaugummi noch keiner, aber: wenn man viel davon runterschluckt,  muss man vielleicht doch den Bauch aufschneiden. Das steht sogar bei Wikipedia unter "andere physiologische Wirkungen".
Dass die Umsätze bei Kaugummi in jüngster Zeit stark eingebrochen sind, muss wohl an diesen Ökos liegen. Die lassen an nichts ein gutes Haar und greifen vielleicht wieder zum Birkenpech. Ob das wohl schmeckt? 😏 Es klebt auf jeden Fall gut, das wussten schon die Steinzeitmenschen.

Siehe auch: Salat - Ob der wohl gesund ist?, Umentschieden, Ungenießbar, Bringt's was?, Kräuterlikör 22 Karat, Pizzarandliegenlasser!, Eierpanik, Was man so braucht

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