Donnerstag, 30. Dezember 2021

Unsichtbar!?

 

Haben Sie Lust auf ein kleines Experiment? Auf diesem Foto gibt es etwas, das ich vor ein paar Tagen zum ersten Mal gesehen habe, und das, obwohl ich an diesem Spielplatz beinahe täglich vorbei komme, und hier schon unzählige Male fotografiert habe. Vielleicht entdecken Sie es sofort, vielleicht auch nicht. Bei einem Foto ist die Suche wahrscheinlich einfacher als in der "Realität", denn an diesem Ort gibt es unglaublich viel zu entdecken. 

So sieht das aus, wenn man mittendrin steht, und den Bildrahmen noch nicht auf das kleine Hexenhaus reduziert:


Diese Panorama-Ansicht ist wiederum nur ein Ausschnitt aus der großen Spielplatz-Szene... Hier gibt es also richtig viel visuelle Information, mit unglaublich vielen Details. Was also hat mich so verblüfft?

Es war dieser komische Vogel:

Haben Sie ihn gefunden? Wenn nicht: Scrollen Sie noch einmal nach oben und schauen Sie nach, wo er sich in den beiden oben gezeigten Ansichten befindet.

Er sitzt wahrscheinlich schon seit Anbeginn der Spielplatzgestaltung auf seinem Pfosten und beobachtet die Menschen, die unter ihm vorbei laufen. Er ist definitiv nicht unsichtbar, aber er entzieht sich der #Wahrnehmung. In diesem Fall liegt es daran, dass er oberhalb des üblichen Sichtfelds platziert ist, und innerhalb dieses Sichtfelds gibt es so viele Ablenkungen, dass man ihn eher zufällig entdeckt, und auch nur, wenn man ausnahmsweise nach oben schaut. Jaja... Don't look up. 😅😂

Diese fotografische Begegnung hat mich wieder einmal daran erinnert, wie unsere Wahrnehmung funktioniert. Nachdem ich jetzt weiß, dass dieser Vogel auf seinem Pfosten sitzt, sehe ich ihn jedes Mal. Und ich frage mich natürlich auch, was ich sonst noch alles übersehe, obwohl es faktisch vorhanden ist. Psychologen und Hirnforscher haben für solche Phänomene gute Erklärungen. Unser Gehirn filtert die eingehenden Signale und sortiert ständig Informationen aus, die wir nicht zum Überleben benötigen. Die gängige Theorie lautet auch: Unser Hirn hat gar nicht genug Kapazitäten, um sich um jedes blöde Detail am Wegesrand zu kümmern. Darum setzt es Prioritäten, die evolutionär bedingt sind, und durch Erziehung, Gewohnheiten und durch unseren Alltag in immer engere Bahnen gelenkt werden. Je nachdem, welchen Beruf und welche Interessen wir haben, reagieren wir bevorzugt auf bestimmte Muster in der Umgebung. Ein Botaniker sieht mehr Pflanzendetails, ein Techniker kann Ihnen die Bezeichnung und die Funktion jeder Schraube nennen, die auf dem Spielplatz verbaut wurde. Wir können prinzipiell viele Details sehen, wenn wir mit offenen Augen durch die Welt gehen. Wir können uns auch sehr viele Informationen merken und abrufen, aber eben nicht alle. Die meisten Leute schauen mittlerweile mehr auf ihre Smartphones als auf den Weg, auf dem sie entlang laufen. Klar, das ist auch interessant, aber es ist auch eine ganz andere Welt - eine zunehmend virtuelle. 

In diesem Moment schauen Sie im Internet oder auf Ihrem Smartphone mein digitales Foto von einem real existierenden Holzvogel an, und lesen, was mir dabei durch den Kopf geht. Ist das dann schon so etwas wie zeitversetzte Telepathie oder ist es noch Kommunikation? Die Grenzen verwischen. Sind Sie sicher, dass ich eine real existierende Person bin, oder habe ich meine Blogartikel schon an eine KI ausgelagert, die das alles für mich schreibt? Das klingt nach Science Fiction, gibt's aber schon.

Meine Fotos sind grau und düster, weil es heute schon wieder geregnet hat. Ich könnte jetzt eine Software benutzen, um meine Fotos mit ein paar Mausklicks so zu verändern, dass der Vogel in einer sonnigen Umgebung hockt, vor einem tiefblauem Himmel. Sie würden denken: Wow, tolles Wetter, da in München...

Wenn wir die gezeigte "Realität" einerseits so verbiegen können, dass sie nicht mehr der Wirklichkeit entspricht, und andererseits gar nicht in der Lage sind, die faktische Realität in all ihren Details zu erkennen... welche Schlussfolgerung ziehen wir daraus? Ja genau: Ich weiß, dass ich nichts weiß. Das hindert mich aber nicht daran, mir zu allem eine Meinung zu bilden. 😁 Wenn ich abwarte, bis der Supercomputer Deep Thought alle Details zu Ende gerechnet hat, kommt wahrscheinlich 42 als Ergebnis heraus. Das dauert zu lange und bringt uns auch nicht weiter. Also gehe ich weiterhin fotografieren und trinke mit Oli einen Pangalaktischen Donnergurgler. 

Halten Sie die Augen auf, und lassen Sie sich überraschen, was es "da draußen" alles zu sehen gibt. 

Siehe auch: Was gibt es da zu sehen!?, Wenn die Zeit reif ist, Selektiv wahrgenommen, Gut bewacht, Faszinierend!, Blühende Freundschaft

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