Samstag, 4. März 2023

Wenn die Zeit reif ist

207 mm | 1/25 s | f3,4 | ISO 500 | Smartphone (Digitalzoom)

"Bild im Bild mit pinkem Flamingo an Meeresrauschen mit Option auf Kaffeepause für zwei."

Das ist also der geniale Flamingo, den ich in einem kleinen Ladenbüro gesehen hatte. Der steht dort schon ewig, und gestern war schließlich der Tag, an dem er mir fotografierenswert erschien. Ich weiß selbst nicht so genau, warum ich an manchen Motiven jahrelang vorbei laufe, und dann auf einmal den Impuls habe, mich damit zu beschäftigen. Wahrscheinlich "weil die Zeit dafür reif ist", und es vorher eben noch nicht war.  

Es heißt ja auch "zur richtigen Zeit am richtigen Ort sein". Fünf Minuten zu früh oder zwei Minuten zu spät können dazu führen, dass man unterwegs jemanden trifft oder verpasst. Logisch. Und Vorsicht, jetzt wird es scheinbar esoterisch: Wenn man sich auf den Gedanken einlassen kann, dass wir nicht nur mechanisch-biologische Wesen sind, sondern auch auf "Schwingungen" reagieren, dann bekommt die Redewendung "auf einer Wellenlänge sein" eine beinahe physikalische Bedeutung. Licht, Farben und Töne, die wir mit unseren Sinnesorganen wahrnehmen, sind ja auch "Schwingungen". Physikalisch messbar und wissenschaftlich nachgewiesen. Gestern war ich also auf die  Licht-Wellenlänge Pink eingestimmt, und folgte intuitiv dem rosaroten Schein. 😂

Was mir bei dieser Gelegenheit mal wieder aufgefallen ist, war der erste Satz, der mir durch den Kopf ging: Das klappt nie.  

Die Stimme der Vernunft lieferte auch gleich gute fachliche Argumente mit: "Es ist zu dunkel, jetzt musst du auch noch zoomen, es ist ein Handy, mit dem du da fotografierst. Das Bild verwackelt oder es sieht am Bildschirm aus wie Matsch. Vergiss es!"
Ja, diese Stimme ebenso klug wie penetrant.
Situationen wie diese passieren mir immer wieder, also kann man von einem "Muster" sprechen. Diese Muster interessieren mich, vor allem wenn sie sich wiederholen. Wieso quasselt mir diese "Das funktioniert nicht Stimme" ständig dazwischen? Es ist nur vordergründig Selbstsabotage. Sie meint es eigentlich gut, und will mich vor der Enttäuschung bewahren, dass mein tolles Fotomotiv misslingt. Ja und? Als ob ich das nicht schon tausendmal erlebt und ausgehalten hätte. Aber danke für die Warnung, ich nehme sie ins Protokoll auf.

Probieren geht über Studieren
Wenn die Stimme im Kopf sagt "geht nicht", sagt die Stimme aus dem Bauch: Mach's trotzdem, und schau, was passiert. 

Vielleicht haben Sie ähnliche Stimmen, oder Ihre sagen etwas anderes. Was? Hören Sie erst mal zu, was die da miteinander auszufechten haben. Bleiben Sie neutral und fragen Sie gegebenenfalls nach. Wieso soll ich das tun - oder nicht tun? Was passiert, wenn ich es (nicht) tue - im besten oder schlechtesten Fall?
Beim Fotografieren erlebe ich nach diesem inneren Zwist sehr oft, dass die Bilder sehr wohl gelingen, obwohl die situativen und technischen Rahmenbedingungen äußerst schwierig sind. Schwierig heißt nicht unmöglich, darum lohnt es sich, der Idee eine praktische Chance zu geben. 

Beim Fotografieren geht nichts kaputt: im schlimmsten Fall hat man ein paar Minuten Zeit vertrödelt und am Ende eine Reihe von Dateien, die in den digitalen Papierkorb wandern. Im besten Fall hat man hinterher genau das Bild, das man haben wollte. 😊 Je öfter das passiert, desto weniger Kraft hat die demotivierende Stimme. Dieser Spaßverderber kann im Kopf oder im Bauch sitzen, die wechseln sich ab. Es geht ja auch  nicht immer um spaßige, sondern manchmal auch um ernste Angelegenheiten. Der eine sagt: Mach! Der andere: Ne, lass das bleiben. Auf welche Stimme soll man hören, oder: gibt es bisher noch nicht in Betracht gezogene Alternativen? Im Flamingo-Fall hätte ich mir auch vornehmen können, am nächsten Tag mit einer anderen Kamera anzurücken. Simpel.

Mutige Entscheidungen
Überträgt man dieses Innere-Stimmen-Szenario auf andere Lebenssituationen, kommen andere Kriterien ins Spiel. Wichtige Entscheidungen haben lebensverändernde Konsequenzen, die nicht nur die eigene Person betreffen. Da ist "mal ausprobieren und schauen, was passiert" nicht unbedingt die erste Wahl. Eine Option ist es trotzdem.
Die Entscheidung, mich zwei operativen Eingriffen zu unterziehen, hatte ich lange vor mir hergeschoben. Es war nicht kritisch, und ich lasse mich nicht gerne zu etwas drängen (siehe: Nur solange der Vorrat reicht). Schon gar nicht, wenn mir mein Bauch immer wieder sagt: Warte. Das Warten kann dauern, bis sich die Rahmenbedingungen verändern, oder bis ich innere Klarheit über etwas habe. Am liebsten treffe ich Entscheidungen, hinter denen ich voll und ganz stehe. Wenn die Zeit reif ist, sind beide Stimmen - die im Kopf und die im Bauch - einer Meinung. Der Rest erledigt sich dann wie von allein.

Und so freut es mich zu vermelden, dass ich als angeschlagene und mich alt fühlende Frau ins Krankenhaus einpassiert, und als junge gesunde Frau wieder rausgekommen bin. 😅 Mein einziger aktueller Auftrag besteht darin, mich zu entspannen. Die Mutter ist natürlich erleichtert, dass ich bald wieder zum Staubsauger greifen, und mir ihre Stories anhören kann. Mein Bauchgefühl sagt, dass dieses alte Setting meinem Entspannungsauftrag zuwider läuft. Stell dich nicht so an, sagt der Kopf. Auf wen soll ich jetzt bloß hören? 😉 Sicher gibt es Alternativen, an denen ich bisher genauso vorbei geschaut habe, wie an diesem genialen Flamingo.

Siehe auch: Negative Gefühle, Motivation ist (nicht) alles, Arbeit ohne Sinn, Jetzt denken Sie doch endlich positiv!, Pass auf, was du denkst!, In der Ruhe liegt die Kraft, Nur solange der Vorrat reicht!, Helau!?, Mal so richtig den Flamingo rauslassen

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