Montag, 27. Februar 2023

Hexenwerk

 #Winter  #Schneemann

Ja, es hat nochmal geschneit, und bis ich wieder meine gewohnt langen Morgenrunden drehen kann, werden noch ein paar Tage vergehen. Die Schneefälle am Wochenende waren ausgiebig genug, um die ersten Frühlingsboten darunter versinken zu lassen. Stattdessen sorgen Figuren wie dieser "Dirty Harry" für Abwechslung. Er hat etwas Schlagseite, ist ein wenig kopflastig und offenbar ein Mutant mit drei Augen. Dafür lächelt er freundlich und hält seinen Hexenbesen hinter'm Rücken versteckt. 😉

Während ich im Krankenhaus war,  habe ich im Aufenthaltsraum, wo man sich frühmorgens mit leckerem, frisch gebrühtem Tee versorgen kann, Die kleine Hexe von Ottfried Preußler entdeckt. An offenen Bücherregalen komme ich einfach nicht vorbei, ohne einen Blick zu riskieren.
Kennen Sie diese Kindergeschichte, und wissen Sie, wie sie ausgeht? Gut natürlich, denn die Kleine Hexe, die erst 127 Jahre alt ist, und ansonsten keinen Namen hat (!?), reitet am Ende des Buchs auf dem Blocksberg über's Feuer, auch wenn sie dafür eigentlich zu jung ist. Teenager-Rebellion!?

Mein Mann hat mir erzählt, dass auch er diese Geschichte im Kindergarten vorgelesen bekommen hatte. Das Buch ist 1957 erstmals erschienen und wurde 1958 für den deutschen Jugendbuchpreis nominiert. Auch ich kenne die einzelnen Episoden aus den Vorlesestunden im Kindergarten, und weiß noch, wie  mucksmäuschenstill wir waren, wenn wir uns diese Abenteuer anhörten. Erst jetzt, im zarten Hexenalter von Ü50, habe ich die Geschichte noch einmal gelesen. 

Die Ausgabe im Krankenhausregal war definitiv keine Neuauflage, denn sie enthielt noch alle unschicklichen Wörter, die man heutzutage nicht mehr verwendet. In groben Zügen geht es um folgendes "Setting": Da ist eine viel zu junge Hexe, die ihr Handwerk noch nicht richtig beherrscht. Trotzdem will sie am Hexensabbat teilnehmen, mogelt sich heimlich auf die Party, und wird erwischt. Die Oberhexe ist gnädig: anstelle einer Strafe gibt es ein Bewährungsjahr, und wenn die kleine Hexe alles richtig macht, darf sie ganz offiziell an der nächsten Party teilnehmen. Klar, es gibt immer fiese Klassenkameradinnen, ob Hexe oder nicht, und man kann ja nicht immer alles richtig machen. Die kleine Hexe gibt sich im Bewährungsjahr viel Mühe, und ihr einziger Freund, der Rabe Abraxas, hilft auch ein bisschen mit guten Ratschlägen. Dann kommt es zum "Showdown".

Wie war das im Einzelnen?
Interessant für mich war der Vergleich meiner eigenen Erinnerung an den Verlauf der Geschichte, und deren tatsächlichen Verlauf im Buch. Holla, die Waldfee. Ich dachte, die Kleine Hexe wäre für ihre guten Zaubertaten belohnt worden, und hätte genau deswegen nach ihrem Bewährungsjahr am Hexensabbat teilnehmen dürfen. Aber nein, es war ganz anders.
Die anfangs kompromissbereite Oberhexe wurde stinksauer, als sie erfuhr, dass die Nachwuchshexe nur Gutes getan hatte. Die namenlose 127jährige wurde folglich mit Schimpf und Schande davon gejagt, und der weise Rabe Abraxas, der ihr zu den guten Taten geraten, und sie von fragwürdigen Zaubereien abgehalten hatte, machte sich selbst schwere Vorwürfe. Zu gut für diese Welt! Erst als die kleine Hexe Rache schwor, und die Besen und Hexenbücher ihrer Kolleginnen in Flammen aufgehen ließ, konnte sie auf dem Blocksberg übers Feuer reiten - allein mit ihrem Freund Abraxas. Na toll. Was ist das denn für eine doofe Party. Ist das nun ausgleichende Gerechtigkeit oder einfach nur Rache?

Am Ende ist die kleine Hexe die einzige, die noch hexen kann. Nur Gutes, natürlich, davon geht man stillschweigend aus, und: Die bösen alten Mitschwestern sind für immer besiegt. Wie ist das so mit Networking und Fortbildungen unter BerufskollegInnen? Keiner mehr da. Das heißt im eigenen Saft kochen für alle Ewigkeit, das bringt aber keinen Fortschritt. Wie wäre es mal mit 360°-Feedback, einem neuen Kodex, und angepassten Compliance-Regeln für das Hexerinnen-Handwerk? 😅 

Die Moral im Kinderbuch ist, wie die Wortwahl, eben auch dem Geist der 1950er Jahre geschuldet. Die Welt ist erst in Ordnung, wenn am Ende eine(r) übrig bleibt, der sich für den Guten hält. Wenn ich mal wieder in einen Bücherladen komme, setze ich mich rein und lese Kinderinnenbücherinnen. Mal schauen, welche Weltbilder die Kinderbuchschreibenden heutzutage entwerfen.
Irgendwann ist man zu alt für sowas, dann geht's im Computerspiel oder auf Netflix weiter mit den magischen Fantasiegeschichten.

The Witcher - Die Wilde Jagd
Mein Silvergamer hat das Playstation-Spiel The Witcher - Wild Hunt mal wieder aus dem Schrank geholt. Das ist FSK18, also für Erwachsene, und bisweilen ziemlich abgründig. Man sieht viel nackte Haut und sollte bei derben Sprüchen und giftgrün explodierenden Kröten nicht in Ohnmacht fallen. Es wird nicht nur viel gekämpft, sondern auch viel gequatscht, weil die Geschichte auf einer Fantasy-Buchreihe basiert.
Dieses Genre ist bekannt dafür, dass man erst mal alle Clans, die Machtverhältnisse und Protagonisten jedweder Façon kennenlernen muss. Das Lexikon der Figuren und Bestien wächst von Stunde zu Stunde bis zur Unübersichtlichkeit. Wer da gegen wen zu Felde zieht und warum ist fast so komplex wie beim Herrn der Ringe. Für jede Sorte von Biestern gibt es eigene Zaubertränke, deren Zutaten man sich unterwegs zusammensammeln sollte, und die Ausrüstung muss man auch ständig in Schuss halten.
Der virtuelle Gaul, auf dem der Hexer durch die Lande reitet, verhält sich so störrisch wie die hakelige Steuerung der Spielfigur, und die geht dadurch öfter tot, als eigentlich nötig. Vielleicht sind die Ladezeiten danach bewusst so lang gehalten, damit man die empfohlenen Spielpausen einhält. Da kann man sich zwischendurch einen Kaffee und einen Schokoriegel zur Stärkung reinziehen. Spannend ist das Spiel trotzdem, selbst für Co-Piloten, die  nur zuschauen. Jede Mission ist eine eigene Geschichte innerhalb der Geschichte, und davon gibt es endlos viele.
The Witcher ist ein sehr umfangreiches und grafisch toll gemachtes Spiel, mit dem man sich sehr lange beschäftigen kann. In der "offenen Welt" führen verschiedene Entscheidungsvarianten in den Dialogen zu unterschiedlichen Spielverläufen. Da muss man gut zuhören und mitdenken, ist also nichts für den typischen Hau-Drauf-Spieler.
Die Handlung spielt in verschiedenen Regionen, eine davon sieht aus wie eine Mischung aus Südfrankreich und Italien. Die Gegend mit ihren malerischen Dörfern und Weinbergen ist so schön animiert, dass man sich dort glatt im Alter zur Ruhe setzen wollte, wenn denn der Krieg irgendwann mal vorbei wäre... Egal wo man hinschaut: Ein Echo der Realität findet man überall.

The Witcher wurde auch als Netflix-Serie verfilmt. Ob die gut ist, kann ich (noch) nicht beurteilen, denn zur Zeit gibt es wieder sehr viel Snooker auf Eurosport. Da gewinnt immer der Spieler mit den besten Nerven, und bei jedem Turnier ein anderer. 😊

Siehe auch: Warum ich Snooker liebe, Bevor Sie sterben, Bücher ToGo, Call of Duty (Die Pflicht ruft), Da muss man keine Krokodile überfahren, Hexenschuss, Niesmitlust, #Schneemann, Nachgerechnet: Schrittbilanz

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