Sonntag, 24. März 2024

Vom Aufblühen

70 mm | 1/470 s | f1,6 | ISO 50 | Smartphone

#Kirschblüte  #Frühling2024

„Eines Tages, über den ich in der Gegenwartsform nicht schreiben kann, werden die Kirschbäume aufgeblüht gewesen sein.“ (Christa Wolf)

"Wahh?", würde der Tatortreiniger Schotty bei so einem Satz erstaunt fragen. Ich frage mich manchmal auch, was solche verkünstelten Sätze sollen, kann jetzt aber nicht auch noch Literaturwissenschaften studieren. Der Elektriker-Crashkurs ist wichtiger, damit im Mutterhome die Küchenlampen wieder funktionieren.
Was das Aufblühen der Zierkirsche betrifft, wollte ich nur kurz im Wictionary nachschauen, was man Schönes über das schöne Wort "aufblühen" erzählen könnte. Dabei bin ich dummerweise an den Beispielsätzen hängen geblieben. 😅 

Dieses "wird aufgeblüht gewesen sein" ist die vollendete Vergangenheitsform der Zukunft. Im Hinblick auf die kommunizierten Fakten ist die Anwendung dieser Zeitform oftmals fragwürdig. Wir sind ja keine Hellseher, und können in der Gegenwart gar nicht mit Sicherheit sagen, ob irgendwas gewesen sein wird, weil das Ereignis womöglich gar nicht eintritt, und dann wäre so ein Satz, rückblickend betrachtet, inhaltlich falsch. Aber gut: Es gibt ausgesprochen viele grammatikalisch richtige Sätze, die inhaltlich falsch sind. Tiere haben es etwas leichter, die machen Muh oder Mäh, und haben (wahrscheinlich) keine so ausgefeilte Grammatik wie wir, mit der sie allerlei Hypothesen aufstellen, und sich gedanklich auf Zeitreisen begeben könnten.

"Das wird unser Nachbar gewesen sein" ist nur selten eine Zukunftsprognose, es ist vielmehr eine Aussage, die ins Reich der Spekulation verweist. Vielleicht war's die Nachbarin, der Postbote oder der Pizzalieferservice, der an der Tür geklingelt hat.😉 Bin ich froh, dass ich Deutsch nicht als Fremdsprache lernen muss.

Hochliteratur ist noch einmal ganz speziell. Da verdichten die Autorinnen und Autoren ihre Gedanken in Satzkonstruktionen und durchaus kreativen Wortkombinationen, die kein normaler Mensch jemals so verwenden würde. "Ein Mond, so dünn und gelb wie ein Stück Zitronenschale,"...
Solche Sätze und Texte sind Kunst, wie ein Gemälde von Jackson PollockBelletristik und Groschenromane sind leichter konsumierbar, und darum eher fürs "einfache Volk", wie es bei Wikipedia heißt.
Der geschriebene Text hat es einigermaßen schwer, er muss gegen Kurzvideos und Podcasts, TV- und Streaming-Diensten aus dem Internetz antreten. Darum finde ich es gut, dass Influencer*innen jetzt auch Bücher schreiben. Vielleicht führt das dazu, dass der Buchmarkt eine neue Blüte erlebt?! 😀

Der tagesaktuell fotografierte Kirschbaum ist jedenfalls schon aufgeblüht, was für Pflanzen um diese Jahreszeit nicht unüblich ist. Blühen Sie im Frühling auch auf? Oder geht Ihnen das Herz auf, wenn Sie einen blühenden Baum sehen? Noch banaler formuliert: Freuen Sie sich über die unübersehbaren Signale des Frühlings, der - zumindest hier in München - gerade richtig Fahrt aufnimmt? Ich schon.
Morgen soll es wieder wärmer und vor allem sonnig werden, was mich nach dem kalten Regenwochenende mit eingestreuten Schneeregenschauern noch viel mehr gefreut haben wird... wenn die Wettervorhersage gestimmt haben wird. 😁

Schluss mit dem Unfug, ich schenke Ihnen noch einen anderen schönen Beispielsatz aus dem Wictionary:

„Sie biegt die Wimpern mit Zangen, epiliert ihre Beine, zupft die Augenbrauen. Überall im Land blühen erschöpfte Gesichter auf.“ (Alice Bota)

Schauen Sie sich vielleicht ein paar alte Folgen vom Tatortreiniger Schotty an. Das ist (auch) so wunderbar #absurd.

Siehe auch: Ein Satz wie ein Gemälde, Schneeweißchen, Frühlingspoesie, Philosophische Poesie, BuchgestöberGute Genesung..., Schnee, der auf Ceran fällt, Sachen gibt's!, Gender-Hähnchen:innen?, Mule Smash Vibes am Welt-Emoji-TagAtmosphärisch pink, #Buchtipps, #Wortklauberei

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