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#Erdnuss im #Eichhörnchenversteck
#Muttergeschichten
Ein bisschen bescheuert ist es schon, eine Erdnuss im Aschenbecher zu
hinterlegen. Der wird wenig benutzt und stinkt nicht, aber als sicheres Versteck für eine Nuss im Längsformat erscheint er mir doch eher ungeeignet. Nun, ich bin kein Eichhörnchen. Das wird sich schon etwas dabei gedacht haben. 😋
Tatsächlich waren es auf dem Balkon versteckte Nüsse, die mich vor vielen Jahren darauf aufmerksam gemacht hatten, dass sich diese umtriebigen Nager dort regelmäßig aufhalten. Mittlerweile gehören sie zur Familie und kommen jeden Tag vorbei. Wenn nichts für sie draußen liegt, klopfen sie auch mal an die Balkontür, um sich bemerkbar zu machen. Meine Mutter kennt sie alle, und weiß genau, welches Eichhörnchen zu welcher Generation gehört. Namen haben sie keine, die könnte sich meine Mutter sowieso nicht mehr merken. Im Zweifelsfall heißen sie alle Moritz, wie die insgesamt drei Kaninchen und zwei Meerschweinchen, die ich - nacheinander - in meiner Kindheit als Haustiere hatte, oder "Muckele".
"Man muss sich an die schönen Dinge erinnern", sagte meine Mutter gestern, als ich mir zwei Salzstangen zwischen die Lippen klemmte, und wie lange Biberzähne aus dem Mund hängen ließ. Haben Sie schon mal Salzstangen ohne Beteiligung der Hände gegessen? Das ist gar nicht so einfach. 😆
"Mit dem Essen spielt man nicht", sagen die meisten Eltern in solchen Situationen, aber meine Mutter findet diese Komik-Einlagen heutzutage total lustig. Ich musste trotzdem damit aufhören, weil sie einen so heftigen Lachanfall bekam, dass sie rot anlief und fast keine Luft mehr bekam. Totlachen ist vielleicht eine der schöneren Varianten, das Leben auszuhauchen, aber um Himmels Willen, daran will ich nicht ursächlich beteiligt sein.
Seit letzter Woche geht es meiner Mutter deutlich schlechter, was möglicherweise (auch) mit einem Austauschmedikament zusammenhängt. Gleicher Wirkstoff, anderer Hersteller - ich kenne das von meinen Schilddrüsen-Medikamenten. Da gibt's wirklich Unterschiede und andere Nebenwirkungen. Unabhängig von der Medikation wird meine Mutter schon seit einiger Zeit zunehmend kraftloser. Sie ist müde, schläft sehr viel, und sagt, dass sie sich krank fühlt und bald sterben wird. Ob sie mit dieser Ankündigung nur kokettiert, oder ob es wirklich ernst ist, kann ich nicht beurteilen. Sie hatte schon andere schlechte Phasen, also Medikamenten-Check und Arztgespräch.
"Die Cinderella [Name geändert] hat heute ein totales Chaos veranstaltet!", jammerte meine Mutter lachend, als ich heute bei ihr eintraf. Auf dem Pflegeordner lag schon wieder ein neues Formular für die häusliche Krankenpflege zum Unterschreiben.
"Um welche Art von Chaos handelt es sich?", fragte ich nach. Es konnten ja auch schief aufgehängte Handtücher sein, oder in der falschen Regaletage abgestellte Bodylotion-Flaschen. Ordnung muss schließlich sein, und Chaos ist im Mutterhome ein relativer Begriff.
Wie immer dauerte es eine Weile, bis ich mir aus den bruchstückhaften Erzählungen meiner Mutter ein Bild von den morgendlichen Ereignissen zusammenpuzzeln konnte. Für sie muss es ein ernster Vorfall gewesen sein, denn sie erklärte mir, dass sie gar nicht mehr hatte lachen können, und sehr ärgerlich gewesen war. Zwischen den Zeilen war große Besorgnis, um nicht zu sagen Angst wahrnehmbar.
"Die Cinderella hat gesagt, dass das Bad zu eng ist!", teilte sie mir mit.
Es ist das selbe Bad wie in den letzten drei Jahren, und mir ist nicht aufgefallen, dass der Raum über Nacht von irgendeinem Magier geschrumpft worden wäre. Ein Bautrupp war auch nicht da, und es stehen auch keine neuen Möbel drin. Das Problem ist offensichtlich, dass meine Mutter nicht mehr wie gewohnt von der Toilette aufstehen kann. Die seitlichen Griffe reichen nicht, sie braucht unbedingt ihren Spezial-Rollator zum Abstützen, und wenn der Pflegedienst dieses sperrige Utensil nicht hinstellt, oder beim Aufstehen kräftig mit anpackt, verliert meine Mutter das Gleichgewicht. Sie hat berechtigte Angst vor einem Sturz.
"Die Cinderella kriegt mich alleine ja gar nicht mehr hoch!", fuhr sie fort, "dann muss ich die Männer vom Notdienst anrufen!". Wenn's nur das wäre, dachte ich im Stillen. Es ist nachvollziehbar, dass sie die Schuld für ihre Unsicherheit beim Pflegepersonal sucht, denn das lenkt den Blick von der eigentlichen Ursache ab. Sie realisiert, dass es bergab geht, will es aber nicht wahrhaben.
Selbst mit den verfügbaren Hilfsmitteln ist es jetzt schon sehr schwierig für sie, aus einer sitzenden Position überhaupt noch hochzukommen, weil ihre Kräfte mehr und mehr schwinden. Es war nicht nur Cinderella, die das Badezimmerproblem hatte, einen sehr ähnlichen
Bericht hatte ich Anfang der Woche schon im Kontext mit einer anderen
Pflegerin gehört. Es droht also größeres Ungemach durch noch größere Hilfsbedürftigkeit, und das enge Bad ist ein Symptom dafür, dass es mit der Pflege zuhause allmählich - im wahrsten Sinne des Wortes - zu eng wird. Vierzigtausend Euro für einen Umbau habe ich leider nicht in der Portokasse, das haben wir vor drei Jahren schon geklärt. Und wenn wir die Wände rausstemmen, müsste sie auch erst mal in eine Pflegeeinrichtung, weil man während der Umbauzeit gar nicht mehr aufs Klo gehen könnte.
Nein! In die Anstalt geht sie nicht, nicht einen einzigen Tag und auch nicht probeweise. Was diese Frage angeht, beiße ich bei meiner Mutter weiterhin auf Granit. Sie hat eine andere, viel bessere Lösung für das Problem: Männliche Pfleger, die haben mehr Kraft. Und ganz abgesehen davon will sie bald nochmal heiraten.
"Du brauchst gar nicht so schauen", sagte sie zu mir, "du wirst schon sehen!"
Ich weiß zwar nicht, wen sie heiraten will, weil sie mir das nicht verraten will, vergisst aber auch, dass ich dann die Heiratsurkunde unterschreiben müsste. Den Kerl, wenn er überhaupt existiert, würde ich mir vorher natürlich ganz genau anschauen. Arnold Schwarzenegger käme eventuell in Frage, ... aber ich glaube der passt nicht zusammen mit meiner Mutter ins Bad. 😎
Siehe auch: Wolkenkuckucksheim, Wieviele Finger sind das denn?, Mutternproblem, Vegan?, (Zehn)Tausend magische Momente, Michelangelos neuester Hit, Tür an Tür mit... Doris?, Heute ist wieder so ein Tag, Pornopapst, Da muss ich ja denken!, Telefonjoker, Frisuren und irgendwas mit 'ik', Schwammerlsarg, 4711: ChatGPT im Mutterhome, Hausmittel, Kuchenbacken, Hitze-Opfer, Appsala, Personalfragen, Marmeladengemetzel, Fatzebuhk!, Es Muttert, Pumuckl
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