27 mm | 1/120 s | f1,6 | ISO 160 | Smartphone |
#Partystimmung im #Asialaden zum #Drachenjahr
#Lichterketten #Buddha
#Muttergeschichten #Musik
Michelangelo ist ein berühmter italienischer Künstler, den Namen kennen Sie mit Sicherheit. Welche Werke er erschaffen hat, ist dann schon ein bisschen schwieriger zu beantworten. Sein neuester Hit heißt jedenfalls "Ich habe dich nie vergessen". Häh?
Der Pflegedienst-Mitarbeiter staunte nicht schlecht, als meine Mutter frühmorgens mit glühender Begeisterung von Michelangelos schönem Song schwärmte, den sie auf Deluxe TV schon mehrmals gesehen und gehört hatte.
"Michelangelo?", fragte er nach. Und so kam heraus, dass meine Mutter natürlich Nino de Angelo gemeint hatte. Welche Ehre für den Schlagersänger, der, so die Mutter, inzwischen natürlich auch schon ziemlich alt geworden sei. 😆 Sie haben beide über die Namensverwechslung gelacht, und ich mit meiner Mutter dann noch einmal, als sie mir die Geschichte beim Frühstück erzählte.
"Der muss denken, ich bin blöd", fügte sie hinzu, denn etwas peinlich war ihr die Verwechslung schon. Ich relativierte das: In ihrem Alter und bei der phonetischen Ähnlichkeit beider Namen kann man schon mal was durcheinanderbringen. Das ist mir ja auch mal passiert: Mozarella ist jetzt eine hervorragende Eselsbrücke, wenn es um den - ebenfalls italienischen - Sänger Giovanni Zarrella geht, "der aber nicht mehr italienisch kann", wie mir meine Mutter mitteilte, und wie das denn sein könne. Zu allem Überfluss ist Michelangelo in der Show von Mozarella aufgetreten. Wenn Giovanni Tür an Tür mit Doris lebt, erklärt das vielleicht, warum er nicht italienisch spricht? 😅 Gespräche mit meiner Mutter sind ein Feuerwerk der Vorurteile, und ein Minenfeld, das man als Kind nicht unbeschadet durchschreiten kann.
Namensgedächtnis
Wortfindungsstörungen sind im Mutterhome an der Tagesordnung, und neue Namen kann sich meine Mutter schon seit längerem nicht mehr gut merken. Bei Pflegekräften oder Physiotherapeuten, die über mehrere Monate, regelmäßig und in kurzen Abständen kommen, geht's einigermaßen. Aus einem Frederik wird anfangs schon mal ein Hendrik oder Philip, und wenn's gut läuft, passt der Name im Muttergedächtnis irgendwann zur Person.
Für schwierige, weil ungewohnte Namen, die sie sich gar nicht einprägen kann, erfindet sie einfach selber welche. Dass sie sich einen Namen ausgedacht hat, erfahre ich nicht sofort. So war ich davon überzeugt, dass eine Mitarbeiterin Aishe und eine andere Maria heißt, obwohl beide in Wirklichkeit ganz andere Namen haben. Da ich den Pflegekräften normalerweise nicht begegne, weil die längst wieder weg sind, wenn ich im Mutterhome eintreffe, haben wir zumindest "intern" Klarheit darüber, wer am Morgen Dienst hatte. Bei Fragen direkt an den Pflegedienst, wird's für mich schwierig. Dann sage ich den falschen Namen und die Pflegekräfte denken, ich sei verwirrt. Manchmal bin ich das tatsächlich.
Erinnerungslücken
Heute Vormittag wurde aus Andrea Berg und Helene Fischer im Handumdrehen
Andrea Fischer, aber warum auch nicht. Die laufen beide in der Rubrik "100% Hits". Natürlich steht fast täglich die Frage im Raum, wie
jetzt dieser oder jener Sänger oder Politiker gleich wieder heißt. Der Alte Kracherte von der FDP, oder der
rote Schulz, oder auch der Kärbeling, der zu Fuß
gewandert ist. Das muss ich doch wissen, ich bin doch noch jung! Ja klar. Und den
Fußballtrainer, der früher Bäcker war, müsste ich auch kennen. Nicht zu verwechseln mit dem
gleichnamigen Pleitegeier. Das wäre ja zu einfach... 😅 Biedi und Buuddieehn kann meine Mutter jedenfalls noch auseinanderhalten, und den Schlowinski kennt sie auch. Und der Kärbeling... heißt mit Vornamen Hape und ist ein Komiker.
Wer Lulu ist, wusste ich hingegen lange nicht. Das ist die Mutterhome-interne Bezeichnung für den aktuellen Trainer des FC Bayern, Beiname "die Niete". Als ich endlich wusste, wen sie damit meint, habe ich natürlich nachgefragt, wie sie auf diesen Namen kommt. "Der ist so blöd, da musste ich mir was Passendes ausdenken", erklärte meine Mutter. Dass dieses Wort in Österreich und Bayern umgangssprachlich ein vulgärer Ausdruck für 'Prügelknabe' ist, weiß sie wahrscheinlich nicht. Ich musste es auch erst recherchieren. Wie Lulu wirklich heißt, schaue ich gar nicht erst nach, der ist wahrscheinlich eh bald wieder weg, und ich weiß ja jetzt, wen die Mutter meint, wenn sie sich über dessen neueste Verfehlungen echauffiert.
"Die ganze Welt lacht über uns!", schimpft sie dann vor sich hin, und mir fällt nicht mehr ein, wie der Manager vom FC Bayern hieß, der im Gefängnis war. 😜
Das ist ja wie im Irrenhaus...
Klare Kommunikation und Faktenweitergabe ist unter Verwendung von Dutzenden Codewörtern und fehlenden Begriffen natürlich (m)eine tägliche Herausforderung. Wenn meine Mutter die Weltereignisse und Musikvideos mit dem Satz kommentiert "Das ist ja wie im Irrenhaus!", denke ich mir meinen Teil.
Meine Mutter fragt die Pflegekräfte oft, wie sie ihren Job eigentlich aushalten. Sie könnte das ja nicht, so jeden Tag mit diesen alten Leuten... Mich hat sie noch nie gefragt, wie ich das aushalte, aber ich habe ihr erklärt, warum ich zum Qigong ("Sport") fahre, und regelmäßig mit Therapeuten spreche. Sie bräuchte auch einen, meinte sie neulich. Gut wäre es, aber ob es ernst gemeint war, ist eine andere Frage.
Sport und Musik sind die Nischen des mütterlichen Eskapismus, weil ihr die Welt- und ntv-Nachrichten mittlerweile zu viel, und vor allem zu belastend geworden sind. Nachts träumt sie vom zweiten Weltkrieg oder kann gar nicht mehr schlafen. Musik lenkt sie ab und beruhigt, heilt aber nicht die PTBS (Posttraumatische Belastungsstörung), die sie schon ihr Leben lang mit sich herumschleppt.
So hat Deluxe TV dem Deutschen Musikfernsehen im Mutterhome den Rang abgelaufen, worüber ich ausgesprochen froh bin. Die 'Singenden Saxofone' und 'Die Amigos' sind jüngeren und moderneren Interpreten gewichen. Es gibt weniger Werbung bei Deluxe, und gelegentlich sogar mal einen Song, der meine Gehörgänge nicht so extrem strapaziert.
Ein Lied kann eine Brücke sein
Auf Deluxe TV lief eines Nachmittags ein Video, in dem die Sängerin Joy Fleming zu sehen und zu hören war. Die kennen Sie wahrscheinlich nicht mehr, ich gerade noch so, und meine Mutter war bei deren Anblick schwer beeindruckt: Überhaupt nicht gealtert! 😲
"Schau, wie die noch singen kann!", rief sie. Ich schaute und dachte: Das sieht aus wie bei der ZDF Hitparade in den 1970ern. Aber was macht dieser komische Kerl da im Bild? Der gehört da nicht hin!
Für mich war relativ schnell zu erkennen, dass es sich um eine Neufassung des deutschen Eurovisions-Beitrags aus dem Jahr 1975 handelte. Es bestand aus authentisch altem Bildmaterial von Joy Fleming, digital aufbereitet, wie auch das Lied, das nun zu einem Duett mit Eloy de Jong (2022) geworden war. Als ich meiner Mutter erklärte, dass das keine neue Aufnahme ist, verstand sie nicht, was ich damit sagen wollte. Am Ende des Videos wurde am Bildschirm eingeblendet: Joy Fleming (1944 - 2017), Video 2022 - da war die Sache klar.
Ein Lied kann eine Brücke sein, die mittels moderner Digitaltechnik fünfzig Jahre mühelos und beide Protagonisten nahezu authentisch miteinander verbindet. Dass solche Darbietungen die Verwirrung meiner Mutter fördern, und die Verankerung ihrer Erinnerungen in Zeit und Raum ordentlich durcheinanderwirbeln, ist nicht zu übersehen. Was das mit ihr macht, kann ich beobachten. Was solche audiovisuellen "Zeitreisen" mit uns als Gesellschaft machen werden, bleibt abzuwarten. Die Gruppe ABBA hat mit ihren digitalen Avataren ja schon den ersten Meilenstein gesetzt, und ich gehe dann in ein 3D-Kino zu einem Beatles-Konzert.
Siehe auch: Warum klebt der Käse an der Wurst?, Gorillakäse fürs Forsa-Institut, Tür an Tür mit... Doris?, Ein Hauch von Blau, Sommerkonzert, Musikantenstadl, Zippi-Zappi, Sendeschluss, Unisono, Wenn Unbeteiligte beteiligt sind, Im Dienst, Wie viele Finger sind das denn?, Hoppala..., Zombie!?, Wetter, Fußball und Champagner, Heute ist wieder so ein Tag, Pornopapst, Da muss ich ja denken!, Weltuntergang, Hitze-Opfer, Unterhaltsam, Personalfragen, Marmeladengemetzel, Bestimmung, Licht aus, Spot an, Mehr Style für's Mutterhome
Weiterführende Links
- Nino de Angelo - Wikipedia, Youtube
- Deluxe Music (TV) - Wikipedia
- Michelangelo - Wikipedia, Planet Wissen
- Giovanni Zarrella - Wikipedia
- Andrea Berg - Wikipedia
- Helene Fischer - Wikipedia
- Hape Kerkeling - Wikipedia
- Lulu - Wikipedia
- PTBS (Posttraumatische Belastungsstörung) - Wikipedia
- Der General, Werbung 1982 - Youtube
- Dieter Bohlen - Wikipedia
- Nicole - Wikipedia
- Joy Fleming - Wikipedia
- ZDF Hitparade - Wikipedia
- Eloy de Jong - Wikipedia
- Ein Lied kann eine Brücke sein - Wikipedia, Duett bei Youtube
- ABBA Voyage - Comeback dank digitaler Avatare - Youtube
- Forever Young, Alphaville - Youtube
Alphaville war übrigens eine deutsche Pop-Band.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen