27 mm | 1/400 s | f1,6 | ISO 50 | Smartphone |
#Fassaden #Spiegelung #weissblau
#LandsbergerStraße #München
#Muttergeschichten
"Gestern haben wir noch über ihn gesprochen, heute kam er zum Dienst!", ließ mich meine Mutter wissen, und richtete mir schöne Grüße von ihrem Frühdienst aus. "Der würde dich so gerne mal persönlich kennenlernen", fügte sie hinzu.
Es ist ausgesprochen unwahrscheinlich, dass das passiert, weil dieser Mitarbeiter immer so früh und so super pünktlich kommt, und obendrein sehr selten im Einsatz ist. Es klang fast so, als wollte sie mich mit ihm verkuppeln. 😅
"Zufall gibt es nicht", erklärte meine Mutter energisch, und somit war klar, dass es heute ein eher philosophischer Morgen werden würde. Wir mussten erst mal den Unterschied zwischen Schicksal und Bestimmung genauer herausarbeiten.
Schicksal bedeutet für sie, dass jemand vor allem Pech hat. Bestimmung wiederum heißt, dass zwar alles vorherbestimmt ist, aber einen tieferen Sinn hat. Das, was sie durchleben muss, gehört auch dazu, zum Beispiel wenn ihr dauernd alles aus der Hand fällt. Es geht ihr tierisch auf die Nerven, und das kann ich gut nachfühlen. Manchmal hadert sie damit, aber indem sie ihren Zustand als Bestimmung auffasst, ist es einfacher, all diese Einschränkungen auszuhalten.
Solche kleinen Momente der Erkenntnis leuchten manchmal auf wie funkelnde Sterne am Nachthimmel, bevor die nächste Erzählung aus dem Alltagsleben, oder die alten Erinnerungen Besitz von ihr ergreifen. Dann wird's wieder unübersichtlich.
Diesmal drehten sich diese Gedanken um Gott, Jesus und den Pfarrer Hoffmann, der im Religionsunterricht das Schulfrühstück der Kinder aus dem Fenster geworfen hatte. Aber der Pfefferl-Sepp hatte sich das nicht gefallen lassen, der war Klassensprecher, und hatte sich beim Schuldirektor über den Pfarrer beschwert, offenbar erfolgreich. 💪 Dieser Episode folgte ein Bericht über den Schönheitswettbewerb für männliche Pflegekräfte, den sie intern veranstaltet hatte, und schließlich fiel ihr ihre Mutter ein. Die war gelernte Krankenschwester, und hätte "hier" (also im Mutterhome) auch gut diesen Dienst machen können...
Kann es Zufall sein, dass ich heute um drei Uhr morgens plötzlich hellwach im Bett lag, an meine Oma dachte, und nicht mehr einschlafen konnte? Geisterstunde. 😉 Letzte Woche hatte schon die alte, kaputte Standuhr - Tempus fugit - ihren Gong ertönen lassen, aber so richtig: Volle Stunde, elf Glockenschläge...
Obwohl ich damals kaum drei Jahre alt war, höre ich die Oma in meiner Erinnerung schwer seufzen: "Ja, so ist das Leben..." Damals hatte ich mich gefragt, was sie damit meint. Trotzdem war klar, dass es nicht einfach gewesen sein konnte.
"Ja, so ist das Leben", sagte nun auch meine Mutter.
"Und wie genau ist es, dieses Leben?" hakte ich nach.
"Unterhaltsam", erklärte sie amüsiert, "und das meiste ist eingetroffen."
Nur der große Lottogewinn, den ihr ein Wahrsager in ihrer Jugend prophezeit hatte, steht noch aus. Sie schien einen Moment lang darüber nachzudenken, ob sie auf dieses Ereignis warten soll, und wenn ja wie lange.
Wenn es ihre Bestimmung ist, dann kommt die Lottomillion. So lange fallen eben auch die Brote auf den Boden, natürlich mit der bestrichenen Seite nach unten, irgendjemand hebt sie wieder auf, und die Netflix-Serie heißt "Zweimal täglich kommt der Pflegedienst."
Was ist Ihre Bestimmung? 😎
Siehe auch: Verspiegelt, Obenrum heiter, Weite weissblau, Magritte wEISSbLAU, Hintergründig, Murmeltiertag!, Wetterleuchten, Alles (k)ein Zufall, Nichts ist unmöglich, Denkste...?, Michelangelos neuester Hit, Marmeladengemetzel, Der Weinstadl, Tempus fugit, Blattsalat zum Welt-Nudeltag
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