#Muttergeschichten
Heute war ich zeitig im Mutterhome, der Kaminkehrer hatte gestern noch
eine Mail von mir bekommen, klingelte um exakt neun Uhr an der Tür, und die
Abgasprüfung lief wie am Schnürchen. Alles paletti. Ich liebe es, wenn Leute pünktlich sind.
"Wo ist jetzt der Sturm?", fragte meine Mutter. "Gestern kam den ganzen Tag eine Warnung nach der anderen. Und wo ist er???"
Ja, so ist das, wenn man gemütlich im Süden, in der vom Deutschen Wetterdienst grün markierten Zone sitzt. Die Sturmwarnungen der letzten Tage bezogen sich auf den Norden, und da hat der historische Sommersturm durchaus gewütet.
"Ich habe noch gar keine Nachrichten geschaut", erklärte meine Mutter, folglich hatten sie auch noch keine Sturmberichte von gestern erreicht. Derweil geben der Wetterdienst und diverse Medien schon wieder neue Warnungen aus: Jetzt kommt die Hitze-Walze!
Meiner Mutter dürfte das sehr recht sein, denn die Temperatur in ihrem Zimmer ist schon wieder auf 23 Grad gefallen. Zu kalt. Und überhaupt: Ob ich schon wüsste, was die Klimakleber jetzt schon wieder gemacht haben? Nein.
"Die haben auf Golfplätzen die Löcher zugemacht", kicherte meine Mutter amüsiert.
"Mit Sekundenkleber?", erkundigte ich mich.
"Nein, mit Gips", klärte sie mich auf.
"Aha."
Das ist ja auch viel praktischer, vom Sekundenkleber bräuchte man ziemlich viele Tuben, bis auch nur ein einziges dieser Löcher hinreichend gefüllt wäre.
"Sag mal, was soll denn das?", fragte meine Mutter kopfschüttelnd, wobei solche Fragen keine richtigen Fragen sind, sondern ein Ausdruck der Missbilligung oder des Unverständnisses, ebenso wie: "Was hat das denn mit dem Klima zu tun?"
Manchmal bin ich ganz froh, dass sie gar nicht auf eine Erklärung von Zusammenhängen aus ist. Sonst müsste ich ja nachdenken, und mich in die Gedankenwelt der Letzten Generation hineinversetzen. Ich versteh' die schon so ein bisschen, aber eben auch nicht zu 100%.
Für meine Mutter ist die ganze Sache total einfach: "Planeten haben auch nur eine bestimmte Lebenszeit. Es wird heiß, die Erde stirbt, der Planet verglüht. Wenn der liebe Gott will, dass der Planet wegkommt, dann kommt er weg. Und dann fällt er als Stein irgendwo runter", führte sie aus. Knochentrocken. Ich habe lange nicht so herzlich gelacht wie nach diesem Satz, und musste an die Geschichte "Per Anhalter durch die Galaxis" denken. Man hätte sich ja vorher informieren können, dass der Planet gesprengt wird.
"Das passiert doch ständig", fügte sie noch hinzu.
"Woher weißt du das alles?", fragte ich. Meine Mutter zeigte auf den Fernseher.
"Das haben die gesagt, bei so einem Vortrag, in einem Institut, wo sich die ganzen gstudierten Akademiker treffen. Solche Sendungen kommen meistens am Sonntagvormittag, wenn die Leute nicht in der Arbeit sind. Aber die können sich das auch auf dem Handy anschauen."
Sonntagvormittag? Ich überlegte kurz, ob meine Mutter beim Zappen durchs vielfältige TV-Senderangebot vielleicht bei der Predigt irgendeiner fundamental christlichen Gemeinschaft hängengeblieben war? Zeugen Jehovas? Das Ende ist nah...? Das Pornopapst-Phänomen?
"Als ich acht Jahre alt war", fuhr meine Mutter fort, "kam im Radio die Nachricht, dass die
Welt am Donnerstagmittag um zwölf Uhr untergeht. Wir kamen gerade von der Flucht [2.
Weltkrieg, vermutlich 1946] nach München, und da ist mein neues Leben angegangen. Die Leute in München waren total hysterisch und haben
auf den Weltuntergang gewartet! Der kam aber nicht. Das musst du
dir mal vorstellen. Die sind alle verrückt."
Sie dachte einen Moment lang nach.
"Aber wenn der Weltuntergang kommt, dann nützt einem das ganze Geld und das Luxushotel auch nichts mehr."
Da hat sie wohl recht, obwohl ich gegen Geld und ein Luxushotel nichts einzuwenden hätte. Jetzt ist es Donnerstagvormittag 11 Uhr 30, und wir haben noch 30 Minuten bis High Noon, bevor der Planet als glühender Stein irgendwo runterfällt? Ach ne, der Termin war vor 77 Jahren. Manchmal bin ich doch ganz froh, wenn angekündigte Ereignisse nicht pünktlich stattfinden. 😏
Siehe auch: Sturm!, Entschuldigung, ich musste gerade lachen, Ein Bastewka sind drei Anhalter in der Galaxis, 42 - Die Antwort auf (fast) alle Fragen, Stille Momente, Traumflieger, Wow, Aprilwetter, Zu später Stunde..., Abendhimmel Barcode, Komet im Anflug, Mitgenommen, Sind Sie up-to-date?, #Wolken
#Muttergeschichten: Da muss ich ja denken...!, Pornopapst, Sendeschluss, Finstermond, Schwammerlsarg, Wetter, Fußball und Champagner, Im Dienst, Wenn Unbeteiligte beteiligt sind, Musikantenstadl, Sommerkonzert, Hitze-Opfer, Unterhaltsam, Ein Untier ist los!, Personalfragen, Marmeladengemetzel, Das N-Wort, Es Muttert, Mehr Style für's Mutterhome
Weiterführende Links
- Historischer Sommersturm - Sturmtief Poly - Merkur
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