Samstag, 8. Juli 2023

Briefankündigung


 #Stadtmöblierung  #Briefkasten  #Post

Wissen, was bald im Briefkasten liegt, steht auf der Internetseite der Deutschen Post. Ja was? Nanu?! Haben Sie das schon ausprobiert? Wussten Sie überhaupt, dass Sie sich mit einer App benachrichtigen lassen können, dass ein Brief auf dem Weg zu Ihnen ist? Bei Paketen kennen wir das schon lange, und das ist praktisch, weil die online bestellten Schuhe oder die neue Waschmaschine nicht so gut in den Briefkasten passen. Aber Briefe? Sicher, es gibt elementare Botschaften, bei denen es um wichtige Fristen geht. Aber woraus besteht die durchschnittliche Briefpost? Muss man über deren Eintreffen vorab informiert werden, oder würde es nicht einfach reichen, den Kasten zu öffnen und reinzuschauen? Es ist doch auch ein bisschen wie Weihnachten, wenn man dort eine Postkarte oder einen Brief findet, mit denen man gar nicht gerechnet hat.

Schon seit Anfang 2022 gibt es diesen neuen, und auch noch völlig kostenlosen Service von der Deutschen Post. Naja, kostenlos...? Die hauen schon rein, mit ihren fortwährenden Porto-Erhöhungen, und sie wollen auch nicht mehr jeden Tag Briefe zustellen. Insofern klingt es schon ganz vernünftig, wenn man über das immer seltener werdende Ereignis vorab informiert wird: Hallo Kunde, die Postkutsche ist zu Ihnen unterwegs! 

Es geht ja auch manchmal was verloren. Dann weiß man zumindest schon mal, wie der Umschlag aussieht. "Die Basis-Sendungsverfolgung dokumentiert die Bearbeitung der Sendung im Start- und Zielbriefzentrum. (...) und "Der Umschlag eines Standardbriefs muss weiß oder in einfarbigen Pastelltönen gehalten sein. Bei der Verwendung eines farbigen Umschlags empfehlen wir die Nutzung eines weißen Adressaufklebers". Für die Briefankündigung werden Umschläge anscheinend vollautomatisch abfotografiert (dokumentiert). Huh!

"Die Briefankündigung kann nützlich sein, beispielsweise für Menschen, die ihren Briefkasten nicht ohnehin ständig aufsuchen oder aufsuchen können, insbesondere dann, wenn sie einen bestimmten Brief erwarten. Wenn die Ankündigungsfunktion zuverlässig läuft, ließe sich damit auch nachschauen, ob womöglich manche Briefe anders als erwartet nicht im Briefkasten landen." (heise.de)

Damit nicht genug: Man kann sich sogar den gesamten Inhalt der noch in Zustellung befindlichen Briefe in der genialen App anschauen. Wow, aber ähm: Wieso muss man sie dann überhaupt noch per Post verschicken? Da könnte der Absender doch gleich eine Whatsapp oder altmodische Mail mit PDF oder Foto-Anhang versenden. Den ganzen umständlichen Quatsch mit Ausdrucken, Umschlag kaufen, Brief eintüten, frankieren, zum Briefkasten latschen, und alles, was danach noch mit der Briefsendung passiert, könnte man sich schlichtweg sparen!? Was hat die Entwicklung dieser kostenlosen Briefankündigungs-App gekostet, und: kommt das über's Porto wieder rein? 

Was soll ich mit einem Foto von einem Briefumschlag auf meinem Handy? Es klingt wie ein digitaler Schildbürgerstreich, à la "Dinge, die die Welt nicht braucht", oder lauert da etwa eine neue Verschwörung, die da heißen könnte: Die Post liest gerne mit, wer schreibt wem, oder die Post schafft sich selber ab? Wenn ich einen gedruckten Brief bekomme, den ich schon elektronisch habe, dann ist einer davon überflüssig. Aber vielleicht denke ich zu kurz.

Bitte beachten Sie, dass Sie nicht zwingend zu jeder Briefsendung eine digitale Kopie erhalten. Ob eine Digitale Kopie zu einer Briefsendung bereitgestellt wird, obliegt dem Absender der Sendung. (Deutsche Post)

Ja klar, der Datenschutz...
Um die App nutzen zu können, muss man sich natürlich datenschutzgemäß registrieren und verifizieren. Das kennt man von anderen Dienstleistungen.

Digitaler Wahnsinn
Die Geschichte von meinem Krankenkassenbrief, auf den ich nicht zugreifen konnte, hatte ich schon erzählt (>Workaround). Die online Pforten zum Kundenkonto sind seit Ende Juni (!) wieder geöffnet. Wochen später konnte ich meinen Geräteregistrierungscode anfordern, musste vorher aber noch mein Passwort ändern, und nochmal einen Sicherheits-Check durchlaufen mit Verifizierungscode per E-Mail. Das hat alles meine Zeit und meine Aufmerksamkeit gefressen, ohne dass ich diesen simplen Vorgang (Brief herunterladen) nach dem xten Anlauf hätte abschließen können. Sicherheit hat ihren Preis, okay.

Nun kommt der Freischaltcode in den nächsten Tagen - wiederum per Post, und natürlich würde ich diesen Code nicht gescannt per Benachrichtigungs-App erhalten. Ich könnte nur erfahren, wann es sich lohnt, meinen Briefkasten zu öffnen, damit ich den Code herausholen, das Gerät freischalten, und dann endlich den Brief aus dem Postfach der Krankenkasse abrufen kann, der sich mittlerweile längst überholt hat? Sowas treibt mich in den Wahnsinn.

Bevor ich mich auf den ganzen elektronischen Scheiß eingelassen hatte, kamen die Briefe von der Krankenkasse per Post, ich habe den Briefkasten aufgemacht, wie jeden Tag, und der Vorgang war erledigt.

Wem nutzt so eine App?
Wenn ich meine Briefe digital aufs Handy bekomme, habe ich immer und überall alles an Bord - das klingt praktisch. Aber wo speichere ich all meine wichtigen Dokumente? Auf dem Gerät? Hoffentlich geht das niemals kaputt oder verloren. In einer Cloud? Na fein. Zum etwaigen Ausdrucken von elektronischer Post oder Fotos vom Handy braucht man einen Drucker, der drahtlos mit dem Gerät kommunizieren kann. Firmen wie Google, Apple oder auch die Hersteller von Druckern bieten ebenfalls ihre Dienste an. Da muss man sich nicht wundern, wenn man mit dem Kostenvoranschlag vom Zahnarzt gleich noch ein supergünstiges Angebot für eine Zahn-Zusatzversicherung oder einen Kredit dazu bekommt. Oder einen Preisnachlass für Blumen, wenn man einen Brief zur guten Genesung erhält. Wie gläsern wollen Sie sein?

Ups, sorry...!
Die schöne App ging relativ kurz nach ihrer Inbetriebnahme offline, weil Empfängern Briefe angekündigt wurden, die gar nicht für sie bestimmt waren. Shit happens. Hoffentlich waren es nur die Umschläge, und nicht die Inhalte der Briefpost, die versehentlich "irgendjemandem" aufs Handy geschickt wurden. Da war doch was mit "Post- bzw Briefgeheimnis"?
Bei mir landen auch immer wieder Briefe einer Nachbarin im analogen Briefkasten, weil die zufällig den gleichen Vornamen hat wie ich - umgekehrt kriegt sie manchmal meine Post. Die Zusteller sind in Eile, lesen nur den Vornamen und schon ist's passiert. Wenn man selber drömelig ist, macht man so einen Brief versehentlich auf. Nicht gut.

Fehler passieren, auch in der analogen Welt, und selbst bei super einfachen Vorgängen. Da fragt man sich schon, ob man eine so komplexe und fragwürdige Dienstleistung wie diese Briefbenachrichtigung braucht. Für wirklich wichtige Sachen: ja, aber doch nicht für alles. Womöglich gibt es Menschen, die ihre Briefpost am fernen Urlaubsstrand auf dem Handy lesen wollen. Die Post könnte dann für Zuhause eine Urlaubsstrand-App mitliefern, die ein Video vom Sonnenuntergang aufzeichnet, den man verpasst hat, während man seine App-Nachrichten gelesen hat. 😜 Die moderne Technik ist toll, keine Frage, aber wie immer gilt: Die Dosis macht das Gift.

Siehe auch: Sie haben Post!, Ein Plädoyer für die Urlaubskarte, Hometogo 1982, Anachronismus, Design-Klassiker der Zukunft, Liebesbriefe?, Workaround, Schlapp ToGo, BriefwahlPost liefert Ende 2024 nicht mehr?AppsalaSegnung der digitalen Moderne

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