Donnerstag, 18. April 2024

Personalfragen

152 mm | 1/60 s | f3,5 | ISO 90 | Nikon Coolpix P7700

 #Blüten am #Apfelbaum
#Frühling2024
#Muttergeschichten

Für die zarten Baumblüten wird es bei 4°C Lufttemperatur und Schneeregen gerade etwas eng, und den üppigen Kastanienblüten geht es auch nicht viel besser. Ich hoffe, sie sind zäh genug, um die vorübergehende Aprilkälte zu überstehen. Es ist ungemütlich draußen, aber die Eichhörnchen auf dem Balkon lassen sich davon nicht beeindrucken. Sie sammeln die Nüsse in einem Tempo ein, wie eine Räuberbande auf Speed. Vielleicht trocknet das nasse Fell schneller, wenn sie noch schneller herumhüpfen als sonst?

"Heute war schon wieder eine Neue zum Einlernen da", eröffnete meine Mutter den Morgendialog, während ich suchend durch den Raum spähte, und erleichtert aufatmete: Die DHL-Lieferung des gestrigen Abends stand in ihrem Zimmer. Das Paket im handlichen Format eines Umzugskartons kommt in letzter Zeit gerne dann, wenn ich gerade nicht da bin. Nach vielen gescheiterten Versuchen, die Ankunft dieser regelmäßig eintreffenden Nachschublieferungen so zu steuern, dass sie innerhalb eines gewissen Zeitfensters geliefert werden, lasse ich die Kisten jetzt einfach vor der Tür abstellen.
Das Risiko, dass sich  jemand mit Senioren-Inkontinenzprodukten aus dem Staub macht, nehme ich dabei billigend in Kauf. Manchmal räumt der Pflegedienst den sperrigen Karton morgens in Wohnung, manchmal steht er noch auf dem Fußabstreifer, das ist immer Glückssache. Diesmal stand die Kiste gut verräumt auf der Eckbank, wo sie bei der Rollatorfahrt ins Bad nicht den Weg verbarrikadiert. Perfekt!

"Wer war heute früh da?", wollte ich wissen.
"Der Professor", erklärte meine Mutter, "und weißt du, was der gesagt hat?"

Woher soll ich das wissen?, sage ich dann oft, aber es ist nun mal die klassische rhetorische Floskel, mit der meine Mutter die Bedeutung der nachfolgenden Aussage explizit betonen will.
"Er hat zu der Neuen gesagt, dass hier immer gelacht wird. Und heute hat er selber auch gelacht."
"Das ist gut", sagte ich, und folgte mit halbem Ohr ihrem Vortrag zum Thema "Arschfrisur". Frisuren sind eines ihrer Lieblingsthemen, und Fußball ist nach dem Meistertitel ihrer neuen Lieblingsmannschaft auch wieder aktueller geworden. Wer wird neuer Trainer beim FCB?
Dass die Teilnehmer der gestrigen TV-Diskussionsrunde anscheinend alle besoffen waren, und dass es sogar ihr zu laut geworden sei, obwohl der Effe gar nicht mit dabei war, das sei schon ein besonderes Ereignis gewesen. Wenn sie den Ton am Fernseher freiwillig leiser dreht, dann muss es wirklich laut gewesen sein, stellte sie fest.
"Und weißt du, was der Professor noch gesagt hat?"

Denken Sie sich jetzt eine theatralische Pause dazu: einunzwanzig, zweiundzwanzik, dreiundzwanz-ik... Diese langen Pausen nach einem langen Redeschwall sind auch ein rhetorisches Stilmittel, und nichts für Kommunikationsanfänger. Ich wählte die Beschleunigungsmethode, um zu signalisieren, dass ich noch anwesend war: "Was hat er denn gesagt?"
"Dass jeder, der hier in diesem Haushalt in der ersten Woche einen neuen Namen bekommt, bleibt."
Damit Sie diesen merkwürdigen Satz richtig einordnen können, muss ich ihn vielleicht noch einmal erklären: Meine Mutter kann sich keine Namen merken, darum bekommen Pflegekräfte von ihr einen Namen, den sie sich ausdenkt. Der Professor, der natürlich anders heißt, hat eine scharfe Beobachtungsgabe. Er heißt nicht umsonst "der Professor", und es scheint einen merkwürdigen Zusammenhang zu geben: Pflegekräfte, die einen speziellen Spitznamen von meiner Mutter bekommen, scheinen länger im Team zu bleiben als andere. Ob das wirklich so ist, kann ich nicht beurteilen, aber meine Mutter fühlt sich jetzt so ein bisschen wie eine Personalbegutachterin, und das gibt ihr natürlich enormen Auftrieb. Hoffentlich wird sie nicht auch noch von Dieter Bohlen in die Jury von DSDS berufen. Dann wird sie hundert Jahre alt.
Sie war also ausgesprochen guter Laune, auch weil der Professor mal wieder persönlich da war. Wie die neue Pflegekraft heißt, wusste sie noch nicht. Die muss erst mal alleine zum Arbeiten kommen, dann wird über ihre weitere Zukunft entschieden. 😅 Dass ich den Job bei ihr jetzt schon seit über drei Jahren mache, ist ihr neulich auch aufgefallen. Und ob Sie es glauben oder nicht: Sie hat sich ausdrücklich bei mir bedankt. Das war ein seltener Fünf-Sterne-Tag.

Siehe auch: Wetter, Fußball und ChampagnerFrisuren und irgendwas mit 'ik', Wen interessiert schon der Papst, Kuchenbacken, Da muss ich ja denken!, Weltuntergang, Gorillakäse fürs Forsa-Institut, Michelangelos neuester Hit, Moment mal - sieht der nicht aus wie..., Tür an Tür mit... Doris?, Das Wapperl muss weg, (Zehn)Tausend magische Momente..., Sind Sie alt?, Es wird eng, Oh Marylin!

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