69 mm | 1/270 s | f1,6 | ISO 50 | Smartphone |
#Kirschblüte #München #Untergiesing
#Frühling2024
"Die Wäsche muss mit drauf", sagte mein Mann, als wir bei einem kleinen Abendspaziergang nach dem großen Kirschbaum gesehen haben. Letzte Woche war er noch fast kahl, jetzt steht er auch wieder in voller Blüte. Der Anblick ist ein Traum, wie jedes Jahr, und ich bin froh, dass ich ihn nicht verpasst habe. 😍
Die Wäsche, die dahinter im Freien getrocknet wird, braucht vermutlich keinen synthetischen Blütenduft im letzten Spülgang. Zerstört ihr Anblick die Ästhetik des Bildes? Vielleicht. Das liegt im Auge des Betrachters, und hängt davon ab, wie man die Welt sehen oder darstellen will: Lebensnah, echt und authentisch, oder geschönt, indem man das vermeintlich Störende ausblendet? Ich mache das mal so und mal so; mal geschönt, und dann wieder so, wie ich ein Motiv vorfinde. Fahrradständer wären am rechten Bildrand auch noch mit im visuellen Angebot gewesen, aber die habe ich weggelassen. Man muss ja nicht den ganzen Kuddelmuddel fotografieren, und Fahrräder sind wieder ein eigenes Thema. 😉
Nach vielen Jahren des Fotografierens sind mir eher Bilder in Erinnerung geblieben, die so etwas wie einen "ästhetischen oder inhaltlichen Bruch" aufweisen. Das (ver)störend Alltägliche ("Profane") und vielleicht auch langweilig Anmutende sind für mich heute oft das Besondere. Darum finde ich es zum Beispiel schade, dass ich kein Foto von der alten verbeulten Zinkmülltonne mit losem Deckel aus meiner Kindheit habe. Wer wäre in den 1960er Jahren auf die Idee gekommen, so etwas Banales oder gar Hässliches zu fotografieren? Nur irgendwelche verrrückten Streetfotografen, wenn überhaupt. 😁
Was fotografieren Sie, wenn Sie fotografieren?
Die bunten Mülltrennungs-Plastikbomber, die aktuell das Straßenbild prägen, gibt es noch gar nicht so lange, genauso wie digitalisierte Bushaltestellen mit minutengenauer Fahrplanauskunft. Veränderung ist allgegenwärtig und hoch dynamisch, auch wenn wir gerne denken, dass alles mehr oder weniger gleich bleibt. Trocknende Wäsche auf einer Leine im Garten oder dem Balkon war lange out, man hatte ja einen maschinellen Wäschetrockner. Jetzt wird Energie gespart, und die Wäscheleinen kehren zurück ins Straßenbild. Insofern kann man das heutige Foto durchaus als #Streetfotografie bezeichnen.
Am Ende des Artikels finden Sie einen TV-Tipp, der sich mit der "Macht der Bilder" beschäftigt. Darin erläutert der Historiker Prof. Gerhard Paul einige der berühmtesten historischen Fotografien deutscher Zeitgeschichte, und erklärt auch, dass er mit dem geflügelten Spruch "Bilder sagen mehr als tausend Worte" hadert. Er meint, dass ein paar Erläuterungen zu Bildern gar nicht so verkehrt, und manchmal sogar nötig sind.
Was man auf meinem profanen Kirschbaumfoto mit Wäscheleine zum Beispiel nicht sehen kann, ist die derzeitige Wetterlage. Das zurückliegende Wochenende war unglaublich warm, hochsommerlich, wie es uns versprochen wurde. Die Luft ist immer noch geschwängert von Saharastaub und
Blütenpollen, es ist unglaublich staubig und der Himmel diesig grau, obwohl die Sonne scheint und Schatten wirft. Es fühlt sich ein bisschen surreal an.
Obendrein ist dieser Pollen-Sandmix kein Vergnügen für
Allergiker; auch mich plagen mitunter heftige Nies-Anfälle. Trotzdem lasse ich es mir nicht nehmen, möglichst viele meiner "Frühjahrs-Wallfahrtsorte" aufzusuchen. So schnell wie der Frühling heuer (gefühlt)
kam, so schnell ist er auch wieder vorbei.
Ist das jetzt eine analoge FOMO (Fear Of Missing Out), also die Angst, etwas Wichtiges zu verpassen? Dieser Begriff tauchte im Jahr 1996 erstmals auf, und er bezieht sich konkret auf Mobiltelefone, SMS und soziale Medien, deren Nutzung sich zu einer regelrechten Sucht entwickelt hat. Dabei kenne ich dieses FOMO-Gefühl
auch schon aus meiner Kindheit: Es trat immer dann auf, wenn ich noch
Hausaufgaben machen musste, während meine Freunde schon längst draußen
auf dem Spielplatz waren. 😅 Vielleicht sollte ich heute früher Feierabend machen und nochmal fotografieren gehen, bevor die bunten Blüten fallen? Biergarten? Eisdiele? So viele Möglichkeiten jenseits des Mutterhome...
Kennen Sie auch so eine Art FOMO? Bei welchen Gelegenheiten tritt sie bei Ihnen in Erscheinung?
Was würden Sie heute gerne noch tun oder sich selbst gönnen? 😎
Siehe auch: Jaaaa!!, Zierrat, Für die gute Laune, Vom Aufblühen, Zuckersüß und intensiv blumig, Im Auenland, Blütenexplosion, Farbintensiv, Schnelle Tagesnotiz, Sagenhafter Schlüsselbund, Falschlicht, (Zehn)Tausend magische Momente, Sonne, sechzehn Grad, Excel-Kopf, Frühlingspoesie, Festlich, Wolkendiffusor, Gorillakäse fürs Forsa-Institut, Die Löffelliste, Takeo Ishi jodelt
Weiterführende Links
- FOMO, Fear Of Missing Out - Wikipedia
- Was kann man gegen die FOMO tun? - AOK
- Straßenfotografie - Wikipedia
- Die Geschichte der Streetfotografie, ein kurzer Überblick - streetphotographyberlin.com
- Street Fotografie Leitfaden für Anfänger - pixolum.com
TV-Tipp: DAS! Die Macht der Bilder /
Der Historiker Prof. Gerhard Paul im Interview auf dem Roten Sofa
Mit der Macht der Bilder beschäftigt sich der Historiker Prof. Gerhard Paul. Lange Jahre lehrte er als Professor für Geschichte und Didaktik an der Europa-Universität Flensburg, veröffentlichte zahlreiche Bücher zum Thema. Aufs Rote Sofa bei DAS! (NDR) bringt er sein jüngstes Werk mit: "Die Bundesrepublik. Eine visuelle Geschichte". Auf 600 Seiten präsentiert er den Leserinnen und Lesern eine Ikonografie der deutschen Geschichte seit 1949 und somit Motive, die unser kollektives Gedächtnis geprägt haben. (NDR Mediathek bis 05.07.2024 )
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