Samstag, 29. Oktober 2022

Pornopapst

#Muttergeschichten

Mir geht's zur Zeit nicht so gut, und ich war noch ziemlich bedröppelt, als ich gestern im Mutterhome einlief. Meine geistige Aufnahmefähigkeit war schon morgens erschöpft. Die von der Mutter vorgetragenen Beschwerden in Sachen Pflegedienst-Performance trugen wenig dazu bei, meinen Zustand zu verbessern, ich hörte nur halb zu. Vielleicht dachte meine Mutter, dass sie mich mit atemberaubenden Neuigkeiten aus der Nachrichtenwelt dazu bringen könnte, ihren Erzählungen aufmerksamer zuzuhören. Kaffee hatte sie vom Frühdienst schon bekommen, im Gegensatz zu mir war sie also hellwach.
Mit dem Satz "Weißt du, was der Papst gestern gesagt hat?", eröffnete sie den Frühstücksdialog.
"Nein", sagte ich, und nippte an meinem Aufguss aus frischem Bio-Ingwer und Zitrone. Egal was der Papst gesagt haben würde, ich rechnete nicht damit, dass es auch nur im Ansatz etwas in meinem oder im Leben meiner Mutter verändern würde. Die kam ausnahmsweise sehr schnell zum Punkt.

"Im Kloster sind Pornos jetzt offiziell erlaubt", verkündete sie, und klärte mich wortreich darüber auf, dass der Papst erklärt habe, dass es ganz normal und absolut menschlich sei, Pornos zu gucken, und dass er das selber auch mache.
"Das hat er wirklich so gesagt?", hakte ich skeptisch nach.
"Naja", räumte meine Mutter ein, "er hat es anders ausgedrückt. In anderen Worten, in päpstlicher Sprache."
"Aha", sagte ich, "wenn der Papst Pornos guckt, dann kannst du das ja auch machen."
Meine Mutter ist 1972 aus der Kirche ausgetreten und war bestenfalls auf dem Papier katholisch, nur damit Sie das richtig einordnen können. Sie erzählt sehr gerne die Geschichte, dass sie den Religionslehrer schon als Kind zur Verzweiflung getrieben hatte, und deshalb vom Besuch des Konfirmationsunterrichts freigestellt worden war.
"Der Papst hat ja immer noch eine alte Freundin in Argentinien, die er auch immer noch besucht", setzte meine Mutter ihre Ausführungen fort, nur um danach ein weiteres Mal zu bekräftigen, dass Pornos jetzt sozusagen die päpstliche Freigabe hätten.
"Wenn das so ist", sagte ich, "dann beginnt ein neues Zeitalter."
Um mich unmissvertändlich von der Wahrheit ihrer Aussage zu überzeugen, fügte meine Mutter hinzu: "Das hat er wirklich gesagt - das kannst du alles in deinem Internetz nachschauen!"
Die beiden relevanten Stichwörter und ein Klick auf "Nachrichten" reichten aus, um herauszufinden, was der Papst wirklich gesagt hatte: "Pornografie ist eine Sünde, die vielen Leuten, Laien, Priestern und Ordensschwestern auferliegt", sagte das katholische Kirchenoberhaupt während eines Treffens mit Seminaristen und Priestern in Rom. "So tritt der Teufel ein", warnte der 85 Jahre alte Argentinier weiter, und: Das reine Herz, das Jesus jeden Tag empfängt, dürfe solche pornografischen Informationen nicht empfangen." (ntv)
Das brachte mich zurück zu jener anderen, für mich viel relevanteren Frage: Hatte meine Mutter den Papst wirklich komplett missverstanden, und wenn ja: wie geht das? Ich überlegte kurz, ob sie vielleicht irgendwo eine Satiresendung gesehen haben konnte, oder auf eine im Fernsehen zitierte Postillon-Nachricht hereingefallen war. Die verkehren auch alles ins Gegenteil. 😂
Womöglich wollte meine Mutter auf diese verquere Weise auch nur herausfinden, wie ich selbst zum Thema Pornografie stehe. An diesem Vormittag hatte ich ein paar fehlende Belege für die Steuererklärung aus diversen Internetportalen zu organisieren und nachzureichen, und sowas strengt mich unglaublich an. Login, logout, Passwort hier, TAN-Generator dort, und Hotline-Gespräche mit Computerstimmen, die mir ins Ohr tröten, dass gerade niemand ans Telefon gehen kann, während die Zeit davonläuft, und der tägliche Aufgabenkalender bimmelt, um mich ans nächste ToDo im Mutterhome zu erinnern. Ganz zu schweigen von meinen eigenen Arztterminen. Ohne meinen nützlichen Kalender-Assistenten würde ich die Zeit übersehen, und so manche Aufgabe schlichtweg vergessen. Da ist also weder Zeit für noch Interesse an Pornos oder Papstvorträgen.
Dennoch blieb zu klären, ob meine Mutter mich nur verarschen, einen Aufmerksamkeitstest mit mir machen wollte, oder ob sie wirklich glaubte, was sie mir da erzählt hatte. Beim Mittagessen hakte ich nach: "Wo hast du eigentlich diese Geschichte mit dem Papst her?"
"Der hat gestern eine Rede gehalten", sagte sie.
"Hat er dabei auch etwas vom Teufel gesagt?", wollte ich wissen. Das stand ja nun bei ntv, und wenn das Stichwort Teufel im Pornopapstvortrag gefallen wäre, hätte es in der Muttererzählung ebenfalls vorkommen müssen - verdächtig.
Meine Mutter druckste herum. "Ich habe nicht den ganzen Vortrag gehört", wich sie aus. "Der hat ja sehr lange gedauert, und ich habe zwischendurch umgeschaltet."
"Ach so", nickte ich, und dachte: So entstehen also diese vielzitierten Verschwörungsmythen. Man muss halt aufmerksam zuhören, von Anfang bis Ende. Jetzt bin ich nur gespannt, ob sie anfängt, mit den Pflegekräften über den Papst und Pornos zu diskutieren. Eine Pflegerin war neulich schon in Aufruhr, weil meine Mutter von diesen neuartigen Särgen aus Pilzen berichtet hatte. Das ist wieder eine andere Geschichte. Von mir hatte sie diese Information nicht! Ich dachte, ich verschone sie aus Gründen der Pietät vor solchen Innovationen, aber nein. Sie schaut den ganzen Tag fern und ist bestens informiert. 

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