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#Wespe im #Glas
#Sommer2025
#Muttergeschichten #Pflegeheim
"Es gibt zwei Gerüche, die ich überhaupt nicht ertragen kann", hatte meine Mutter bei unserer Redaktionssitzung zu Protokoll gegeben. "Knoblauch ist der eine, und der andere ist Weihrauch. Da wird mir schlecht!" 😟😷
Huch. 😕 Ist das vielleicht doch ein versteckter Hinweis darauf, dass meine Mutter - zumindest teilweise - mit Vampir-Genen ausgestattet ist? 😅 Es müssen mutierte Gene sein, denn in der Sonne sitzen kann sie ganz hervorragend. Wie waren wir auf dieses Thema gekommen?
Ihre Zimmermitbewohnerin hatte eingekauft, unter anderem einen Bund Lauchzwiebeln und frischen Knoblauch. Beides hatte sie mehrere Tage im Doppelzimmer bei sommerlicher Hitze aufbewahrt... Die Balkon- und die Zimmertür zum Gang standen bei den zuletzt herrschenden Temperaturen von 30°C stets offen, es war auf Durchzug gestellt. So konnten die intensiven Gerüche einigermaßen ins Freie verduften, doch dann kam die Gewitterfront. Türen zu, der Zwiebelgeruch gefangen im Raum. 😓
"Jedes Mal, wenn ich ins Zimmer reingekommen bin, hat es mich fast umgehauen", seufzte die Mutter. "Will die da einen Gemüseladen aufmachen?" 😡
Die Lauchzwiebeln und der Knoblauch haben das Zimmer mittlerweile verlassen, denn es muss ein zeitnahes Gespräch zu diesem Thema gegeben haben.
Ansonsten ist im Doppelzimmer Gesprächsvermeidung an der Tagesordnung. Trotz diverser Bemühungen auch seitens Dritter lassen sich bestimmte Diskrepanzen nicht beilegen, und jedes kleine Vorkommnis hat das Potenzial, den Konflikt erneut zu verschärfen. Draußen gewittert es in diesem Sommer nicht so oft, drinnen entladen sich die aufgestauten emotionalen Energien. 🗲 Besser, man sticht nicht ins Wespennest.
😳 Nun ja. Eher nicht, aber ich bin in solchen Beurteilungen keineswegs vorurteilsfrei, schließlich bin ich die Tochter meiner Mutter. In solchen familiären Konstellationen ist es gemeinhin üblich, der Mutter beizupflichten: in der Familie hält man zusammen und verteidigt sie gegen äußere Feinde. Trotzdem hielt ich den Hinweis für angebracht, dass andere Menschen bestimmte Verhaltens- oder Denkweisen, oder bestimmte Aussagen und Urteile als arrogantes Verhalten wahrnehmen oder hinein interpretieren können. Das wiederum bedeutet nicht, dass derjenige, der Arroganz bei anderen kritisiert, selbst frei von eben dieser ist.
Nach meiner bisherigen Lebenserfahrung kann man sich besonders gut über Leute ärgern, die einem selbst strukturell ähnlich sind. Bei anderen sieht man unangenehme Eigenschaften, die man bei sich selbst nicht sehen kann oder will, also die sogenannten "Blinden Flecken". Die an mich gerichtete Frage war ein Hinweis darauf, dass meine Mutter ernsthaft über sich selbst nachgedacht hatte, bevor sie meine Meinung hören wollte.
"Sie hat auch gesagt, dass ich hysterisch bin", fuhr sie fort. "Bin ich hysterisch?"
😅 Eigentlich nicht, zumindest nicht strukturell. Meine Mutter ist nicht hysterisch, sie verhält sich nur manchmal so, und dann in ganz bestimmten Situationen. Ich erinnerte sie an die Szene mit dem Käfer, der sich im Februar ins Zimmer verirrt und mit seinem Leben bezahlt hatte, weil meine Mutter mitunter panisch auf Insekten reagiert. 🪲😱🐝
Laut schreien ist in den letzten Monaten zu ihrer Notfallstrategie geworden, wenn sie sich nicht anders zu helfen weiß. Dann wird meine Mutter laut, auch weil ihre Stimme keine normale (verschärfte) Tonlage mehr hergibt. Das ist wirklich neu, so war sie weder in ihrer Jugend, noch vor dem Umzug ins Pflegeheim. Wirkungsvoll ist ihr Gekreische durchaus.
Der 15. August ist (unter anderem) in Bayern ein gesetzlicher Feiertag, und die Personaldecke an diesem Freitag war dünn. Es war gnadenlos heiß, drückend schwül, und irgendwo auf der Pflegestation gab es einen Notfalleinsatz des Rettungsdienstes. 🚑 Meine Mutter saß noch in der Gemeinschaftsküche beim späten Frühstück, und konnte mir berichten, dass das von den Sanitätern mitgebrachte Bett nicht gebraucht wurde, und leer zurück in den Aufzug kam. Niemand wurde abtransportiert, der Notarzt hatte offensichtlich helfen können, alles war nochmal gut gegangen. 🙏
Nach dem abgeschlossenen Einsatz stand ein Rettungssanitäter im Gang, mit einer Menge Papiere in der Hand, die irgendjemand unterschreiben musste. Das Büro geschlossen wegen Feiertag, Personal nirgends in Sicht.
"Der hatte es eilig, der musste ja wieder zurück zu seiner Truppe", erzählte meine Mutter, und schilderte ausführlich, wie sie und der Sanitäter durch Blicke und Gesten ihre Ratlosigkeit kommuniziert hatten. 😟😒😥😳
Meine Mutter ist absolut hilfsbereit, auch wenn sie in ihrem Rollstuhl nicht viel ausrichten kann. Nach einer Weile nahm sie ihren Teelöffel und schlug damit lautstark gegen ihre Kaffeetasse.
"Das ist ein Signal, dass man Hilfe braucht", erklärte sie mir, "aber es hat nichts geholfen. Es kam keiner. Wir haben uns wieder angeschaut", fuhr sie fort, schnitt eine Grimasse und zuckte mit den Schultern. "Und dann habe ich geschrien", sagte sie. 😎
Ihr Kreischen zeigte unmittelbar Wirkung: Die Balkontür hinter der Küche öffnete sich von außen, drei Pflegekräfte sprangen gleichzeitig herbei, und schickten sich an, meiner Mutter zu Hilfe zu eilen. Die deutete auf den Sanitäter, der nun endlich einen Ansprechpartner für seinen Papierkram hatte.
"Wehe du machst das nochmal!", schimpfte ein Pfleger mit meiner Mutter.
Mit dem Satz: "Was müsst ihr auch alle gleichzeitig in die Pause gehen", hat sie sich an diesem Tag nicht beliebt gemacht, aber: "Ich konnte meinen Mund nicht halten, und musste sagen, was ich denke", fügte sie hinzu. 😤 Arrogant? 😏
Während sie diese und andere Geschichten erzählte, machte sich immer wieder eine Wespe an unseren Getränken zu schaffen. Das war früher eine Situation, bei der meine Mutter schnell in Panik geraten ist. Diesmal nicht. Sie schaute mir zu, wie ich die Wespe mit der halbleeren Colaflasche und später mit dem leeren Glas anlockte, und in sicherer Entfernung auf Abstand hielt. Gib den Viechern ihre eigene Portion Zucker, dann lassen sie dich und dein Getränk in Ruhe.
Meine Mutter ist nicht einmal in Panik geraten, als ich mit der Handykamera im Supermakromodus auf Wespenjagd ging. Den Hysterievorwurf kann ich in diesem Punkt also entkräften. Wenn das mit den Wespen klappt, ist auch in anderen Lebenslagen Entwicklungspotenzial vorhanden. Man lernt nie aus, auch nicht mit Ü80. 😁
Siehe auch: Nicht schön, aber..., Licht- und Hirngespinster, Tummidemmi!, Kopfsache, Redaktionssitzung, Rudelsingen, Unterhaltung(en), Wundertüte, Unaufgeräumt, Pillenrevolte, Licht aus, Oberlicht an, Sicher!, Improvisationsadvent, #Muttergeschichten, Fotobeweis, Maikäfersuppe?, Aprilkäfer, Gut sitzen können, Zwiebel-Experiment, Blumensalat

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