#Baumgeist #Natur #Rinde #Strukturen
#Photoshopgebastel
Unter dem Titel "Schamanen, Hexen, neue Heiden" sendete das Erste letzte Woche eine Dokumentation über den Wandel des religiösen Lebens in Deutschland. Eine der ersten Fragen lautete: Sind die (#Schamanen, #Hexen und neuen #Heiden) rechtsextrem? Und, oh Wunder, nein - die Macher:innen der Doku kamen zum Ergebnis: Sie sind es nicht, jedenfalls nicht alle. Man muss schon genau hingucken, wie überall. Das wiederum ist heutzutage eine Aufgabe, der viele Menschen nicht mehr gewachsen sind. Und das wiederum (ich wiederhole mich bewusst) hat auch mit dem Umstand zu tun, dass die meisten Leute einfach total gestresst sind. Flucht oder Abwehr sind die typischen Reaktionen, wenn der Adrenalispiegel hoch ist. Wann waren Sie zuletzt total entspannt? In der Warteschlange vor der Arztpraxis? Ja, da war ich auch. Wieder ein Rezept für die Mutter abholen.
Danach hockte ich meditierend unter meinen #Baumfreunden. Die kennen mich inzwischen, wie es scheint, und bei denen kann ich, nicht ganz wortlos, aber schweigend meinen seelischen Müll abladen, der sich in stressigen Situationen ansammelt. Diese Lebewesen (und das sind Bäume definitiv), haben einen unglaublich beruhigenden Einfluss auf mich, sogar jetzt, mitten im Februar.
In der Rinde einer alten Esche erkannte mein Gehirn ein Gesicht. In der nordischen Mythologie gilt die Esche (Yggdrasil) als Weltenbaum, der den gesamten Kosmos repräsentiert. Was ich in meinem "kontemplativen Zustand" sofort sah, ließ sich aus dem digitalen Foto später nur unter großen Mühen halbwegs herausarbeiten. Baumgeister sind fotoscheu? 😉 Nein. Das Gehirn interpretiert Muster und Formen, eine Kamera zeichnet sie nur auf. Aber warum erkannte mein Gehirn im Abbild der Rindenstruktur das vermeintliche Gesicht nur noch ganz latent?
Eine mögliche Erklärung: Das Auge erfasst die Szene dreidimensional, das Foto ist nur zweidimensional, da gehen Informationen verloren. Spekulativ wäre nun die These, dass es möglicherweise eine oder mehrere weitere Dimensionen gibt, die beim Betrachten eines Objekts nicht mit den Augen wahrgenommen werden können. Natürlich gibt es weitere bekannte Sinneskanäle: Hören, Tasten, Schmecken. Vielleicht auch eine Art von "Zeitwahrnehmung", wenn man das als Sinn durchgehen lässt. Gibt's noch mehr? Wir wissen viel, aber immer noch zu wenig über all diese Dinge, um "alles" erklären zu können.
Neulich las ich eine Tickermeldung in einem Nachrichtensender. Sinngemäß hieß es dort, dass Religionen (gemeint waren vermutlich die großen westlichen Gemeinschaften) immer mehr an Bedeutung verlören. Wen wundert das? Mit ihren ganzen Skandalen hat sich speziell die katholische Kirche komplett ins Aus manövriert, möchte man meinen. Aber wie rechnete neulich jemand nach: Wenn in Deutschland die noch verbliebenen Mitglieder aus der Kirche austreten, bleiben weltweit immer noch genug Katholiken übrig. Was "wir" hier machen, sei global betrachtet marginal. Ja wirklich? Glaub ich nicht so ganz. 😁 Und ich bin froh, dass ich für diesen Satz nicht von der Inquisition zum Interview vorgeladen werde.
Die meisten Menschen brauchen eine Art von "Glauben", und eine Gemeinschaft, in der sie sich gut aufgehoben fühlen. Diese Funktion haben in den letzten Jahrhunderten die großen Religionsgemeinschaften erfüllt. Jetzt scheint eine andere Zeit anzubrechen: Die mehr oder weniger Gläubigen wenden sich von den Institutionen ab, sind aber weiterhin auf der Sinnsuche. Kleinere Gruppierungen haben schon seit längerem Zulauf, und es entstehen neue Glaubensrichtungen.
Auch den Atheismus beziehungsweise die wissenschaftliche Weltsicht zähle ich großzügig zu den Geisteshaltungen, die individuell sinnstiftend sein können. Zwischen den religiösen und atheistischen Positionen gibt es für Sinnsuchende eine große Bandbreite von Angeboten, von der faschistoiden Sekte bis hin zum "Ich bastle mir meine Religion selber zusammen und bin glücklich". Genau in diese Kategorie fallen die in der Dokumentation vorgestellten "neuen Heiden". Sie greifen alte Rituale auf, verbinden diese mit Elementen aus dem kirchlichen Spektrum, ergänzen Regenbogenfahnen, und freuen sich an einer Gemeinschaft, in der sie sich wohlfühlen, und sich persönlich weiter entwickeln können.
Puristen und fundamentalistische Religionsfanatiker werden solche Gruppierungen generell nicht gutheißen, Skeptiker tun das, was sie am besten können: sie bleiben skeptisch. Ein "echter" Schamane indigenen Ursprungs versteht wahrscheinlich auch nicht was los ist, wenn er einen als Wikinger verkleideten Deutschen mit einer Trommel herumtanzen sieht. Aber warum nicht? Kunsttherapie hilft auch, wenn man offen dafür ist, und gute Begleiter findet. Daneben und dazwischen gibt es jede Menge Esoterik-Quatsch, und ziemlich viel Geschäftemacherei, wie überall. Schauen Sie sich dazu die Dokumentation Amerikas neue Gurus - Auf der Suche nach Erleuchtung (2020, ZDF) an.
Die "neuen Heiden" sind mir grundsätzlich sympathisch. Diese Menschen suchen oder gehen einen Weg, der tatsächlich das Potenzial hat, den weit verbreiteten Wunsch nach Spiritualität, Ritualen und Gemeinschaft zu erfüllen. Die ersten Christen haben vor zweitausend Jahren auch so ähnlich angefangen. Schräg wurde es nur, als ihre Religion institutionalisiert und übermächtig wurde. Gottes Bodenpersonal hat seitdem ziemlich oft einen schlechten Job gemacht. Wie in jedem Verein gab und gibt es Leute, die richtig klasse sind, und andere, die man in die Wüste schicken muss. Wie konnten all die unsäglichen Dinge, die jetzt an die Öffentlichkeit getragen werden, so lange geschehen? Weil geschwiegen wurde, weil man Dinge vertuscht, und den Menschen, die darüber berichtet hatten, einfach nicht glauben wollte.
Dass man zwischen "Spiritualität", "Glaube" und "Religion" auch nochmal
unterscheiden muss, würde hier und heute zu weit führen. Hüte Dich vorm großen Omm, denn...
Machthunger und Machtmissbrauch liegen leider in der Natur des Menschen. Dieses Muster wiederholt sich schon seit Jahrtausenden, weltweit, religionsübergreifend, in der Politik und im ganz "normalen Leben". Manche dieser Strukturen sind bekannt und werden angeprangert, Veränderungen sind oft nur marginal. Da kannst nix machen. Ist das so? Wenn wir unser Denken und unser Verhalten verändern, verändert sich auch etwas in unserer Umgebung. Die Erfahrung zeigt aber auch, dass "der Weg zur Hölle mit guten Absichten gepflastert ist". Darum sind #Achtsamkeit so wichtig, und ein bisschen kritischer Verstand. Wenn eine Prise Humor möglich ist: umso besser, weil man den als Signal für innere Distanz und Gelassenheit interpretieren kann.
Unser Lebensweg, der manchmal einer Gratwanderung gleicht, bietet immer wieder Möglichkeiten innezuhalten, nachzudenken, und bei Bedarf andere Abzweigungen zu nehmen: Kurskorrekturen. Auf den Lebens- und Karrierepfaden moderner Menschen gibt es immer mehr Brüche, Kehrtwendungen und Neuanfänge. Das Wiederaufgreifen und Experimentieren mit alten (heidnischen) Traditionen ist einerseits ein Zeichen für Orientierungslosigkeit, aber auch für die Erkenntnis, dass manches nicht so funktioniert hat, wie es ursrprünglich (gut) angedacht war. Die Suche geht also weiter, Irrtümer sind vorprogrammiert. Im Wald spazieren gehen, keinen Müll liegen lassen, freundlich zu anderen Menschen sein, und mit der Natur sorgsam umgehen sind schon mal ein guter Anfang.
Siehe auch: Waldbaden - der neue heiße Scheiß, Dazulernen, Symbolträchtig, Tanzende Lichter, Traumzeit, Joggingrunde, Holzauge, Herr der Hindernisse, Wintersonnwendsturm, Magische Mistel, Im Auenland
Weiterführende Links
- Schamanen, Hexen, neue Heiden - Dokumentation 2022 (Mediathek, bis 1.2.23)
- Yggdrasil (Wikipedia)
- Amerikas neue Gurus - Dokumentation 2020 (Mediathek, bis 1.9.23)
- Die Geheimnisse des Opus Dei - Glaube, Macht, Manipulation, 2021 (ZDF, Mediathek bis 28.1.24)
- Aphorismus, Hintergründe: Der Weg zur Hölle ist mit guten Vorsätzen gepflastert (WikiQuote)
Musik? Weil der Titel so gut passt: R.E.M - Losing My Religion - (Youtube)
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