Mittwoch, 31. August 2022

Aufregend!?

 

Gestern waren auf dem Weg ins Mutterhome mehrere kurze Erledigungsstopps notwendig, die üblichen Kleinigkeiten des Alltags. Das hält erfahrungsgemäß auf, darum muss ich mich an solchen Tagen schneller fortbewegen - radeln. Ich war natürlich gespannt, wie der Schrittzähler mit dieser Fortbewegungsmethode klarkommt. 😆 Wie er auf tausend Schritte gekommen ist, ist mir ein Rätsel. Die Zählmethode muss ich also mit weiteren Experimenten genauer untersuchen, und vielleicht doch mal die Health App aktivieren. Womöglich kann man dort einstellen, ob man sich laufend, radfahrend oder fliegend fortbewegt?

Zu Fuß ist es mir am liebsten, weil ich da mehr Fotomotive sehe. Außerdem kann ich besser ausweichen, wenn unvermittelt Verkehrshindernisse auftauchen. Nur mit Mühe und Not ist es mir gelungen, einer Schnecke auszuweichen, die viel zu spät in meinem Blickfeld auftauchte. Hui, dachte ich, wenn das kein Warnsignal war! Lieber etwas langsamer fahren... Richtig! 

Nicht viel später hätte ich fast ein Eichhörnchen hopps genommen, das auf dem steil abfallenden Weg am Berghang kreuz und quer hüpfte. Diese possierlichen Tierchen sind generell unterwegs, als würden sie sich permanent Speed einwerfen. Dieses spezielle Exemplar hatte sich innerhalb einer Sekunde dreimal anders entschieden, ob es stehenbleiben, nach links oder rechts, geradeaus oder doch lieber einen wagemutigen Sprung durch die Fahrradspeichen machen wollte. Es entging nur knapp meinem unter den angezogenen Bremsen quietschenden Vorderrad. Dummhörnchen! Gut, dass mich die Schnecke vorher gewarnt hatte.
All diese Dinge ereignen sich meist morgens zwischen acht und neun Uhr. Dabei hat der Tag vierundzwanzig Stunden! Auch wenn ich manchmal über meinen Boreout klage: Vielleicht ist es doch ganz gut, dass im Mutterhome diese langweiligen Routinen zu erledigen sind. Andernfalls wäre mein Leben viel zu abenteuerlich. Da käme ich ja gar nicht mehr hinterher, und könnte nicht aus jeder Mücke einen Elefanten machen. 😏 Oder sind nicht gerade solche Kleinigkeiten das Salz in der Suppe? Sollte ich anstelle solcher Begebenheiten lieber jeden Tag ein Selfie posten, oder unser Mittagessen fotografieren?

Wenn man viel hineinzustecken hat, so hat ein Tag hundert Taschen, sagte der Philosoph Nietzsche. Ein anderes Zitat, das ich heute früh notiert habe, lautet: "Ich finde mich hässlich und ich bin nicht reich und berühmt genug, um so ein aufregendes Leben zu führen wie all diese Promis.

Minderwertigkeitskomplexe
Auch ich bin weder reich noch berühmt. Trotzdem finde ich meinen Alltag schon morgens zwischen acht und halb neun unglaublich aufregend. Vielleicht liegt es daran, dass ich mich nicht von Nachrichten, Twitter oder Instagram permanent bombardieren lasse, sondern einfach nur das Leben vor meiner Haustür beobachte. Ein bisschen Foodporn gibt es hier natürlich auch: Zwetschgenmürbteiggemetzel zum Beispiel, oder pupsende Kunden im Supermarkt, gestresste Bäckereifachverkäufer und singende Saxofone. In diesem Umfeld gibt es wirklich keinen Anlass, mir das Fett aus dem Bauch absaugen und als Wackelarsch hinten wieder reinspritzen zu lassen. Es betrübt mich nicht im Mindesten, dass ich nie so schön und instagrammable sein werde, wie diese beneidenswerten Promis, deren Namen ich nicht einmal kenne. Ein gesundes Maß an Ignoranz ist manchmal gut für's Seelenheil.
Schauen Sie sich auf arte die 90-minütige Dokumentation über "Das toxische Netzwerk" an. Selbst oder gerade wenn Sie Instagram nicht kennen, bekommen Sie einen schönen Überblick, wie diese Plattform einst begann, und was im Lauf von gut zehn Jahren daraus geworden ist. 

Ich wage eine verwegene Prognose: Die User werden abwandern, viele sind jetzt schon in privaten Kreisen auf anderen Kommunikations-Apps unterwegs, und irgendwann steht der nächste heiße SchreiKanal bereit. Erst wollten alle ins Fernsehen, dann waren sie auf Youtube, dann auf Twitter und / oder Facebook, dann auf Instagram - oder überall gleichzeitig, nur um nichts zu verpassen. Reich und berühmt werden: Mittlerweile brauchen viele Internetgeschädigte einen Psychiater, um ihr Leben wieder oder erstmals auf die Reihe zu kriegen. Plattformen wie Instagram können süchtig machen, und es ist gut, wenn den Leuten geholfen wird, da wieder raus zu finden. Auf meinem Smartphone gibt es eine App, die notiert, wie lange ich das Gerät nutze. Die hat weniger zu tun als der Schrittzähler.
Was war gestern Ihr aufregendster Moment im "echten" Leben?

Siehe auch: Frei nach Nietzsche, Morgens um halb neun, Transportwesen, Redensarten: Mit dem Fahrrad, Hilfeee!, Hat da jemand gepupst?, Fortbewegung, WAP, Wap... Was?, Der versteht (hoffentlich nicht) alles, Mandarinen-Ente, Ist denn schon Herbst?

Weiterführende Links

  • Instagram - Das toxische Netzwerk (arte Mediathek, verfügbar bis 22.10.22)

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