Montag, 26. Dezember 2022

Alle ausgeflogen

Für's Protokoll: 2. Weihnachtsfeiertag, morgens heiter, 10° C plus;
nachmittags Regen und Sturm, voll düster.

Schön an Weihnachten war heuer, dass es im Stadtviertel unglaublich viele frei Parkplätze gab. Sowas habe ich noch nie gesehen, und für eine Sekunde beinahe bedauert, dass ich gar keinen Parkplatz brauche. Es kommt auch niemand zu Besuch, der einen hätte brauchen können. Heute Abend oder nächste Woche ist dann schon wieder alles wie immer: zugeparkt.

Wissen Sie eigentlich, wofür genau der zweite Weihnachtsfeiertag gut ist? Ja klar: Das ist der praktische Rückreisetag nach dem Fest, oder auch der Tag, an dem man sich von den ersten beiden Tagen erholen kann, wahlweise vom Besuch, von den Reisestrapazen oder von zuviel Glühwein mit Champagner. Ein Tag Verschnaufpause ist umso wichtiger, wenn man am 27. Dezember wieder zur Arbeit muss. In Frankreich gibt es  diesen Feiertag nicht, dort müssen die Austern schneller verdaut werden.

Der zweite Feiertag ist familienfreundlich: Man kann den einen Teil der Familie am ersten, und den anderen Teil am zweiten Tag aufsuchen oder einladen. Je nach räumlicher Distanz kann das dennoch zur logistischen Herausforderung werden, da muss man nicht mal Bahnreisende*r sein.

Separate Feiern sind notwendig, wenn die Wohnung oder der Tisch zu klein sind, und der komplette Clan nicht zusammen rein- oder ranpasst. Manchmal passen Einzelteile des Clans auch nicht zusammen, und so muss man bei der Weihnachtsplanung viele Details berücksichtigen. Bei Patchwork-Familien mit Diskussionshintergrund braucht man mehr als drei Feiertage, sonst hat man am Ende ein Dornröschen-Szenario: Es sind nicht genug Teller oder Besteck im Haus, und irgendeine*r ist wegen Nichteingeladensein beleidigt. Eingeladensein und nicht erscheinen ist auch ganz blöd. 

Insgesamt kann man an solchen Feiertagen ganz viel verkehrt machen: Man sollte nicht falsch singen, oder noch schlimmer: an der falschen Stelle lachen. Der Fettnäpfchen gibt es viele. Mitunter ist es Teil des Weihnachtsbrauchs, nach Herzenslust über Nichtanwesende zu lästern, und sich hinter vorgehaltener Hand allerlei Geschichten zu erzählen, die zu großen Anteilen aus Spekulatius bestehen. Letzte Woche wollte ich für die Mutter nochmal welche nachkaufen, aber die würzigen Bröselkekse waren schon ausverkauft. 😳 Da hätte ich im September den Bedarf besser kalkulieren sollen, und lerne, dass ich ab Januar Schokoladenosterhasen bevorraten muss. Wann ist Ostern gleich noch? Notiere: Karfreitag ist am 7. April 2023. Wenigstens ist Ostern ein zuverlässiges Vier-Tage-fast-frei-Fest. Weihnachten fällt ja jedes Jahr anders in die Woche hinein, was möglicherweise mit der Präzession (Taumelbewegung der Erde) zu tun hat.

Die Weihnachtsfeiertage sind heuer blöd gefallen, ganz besonders böse ist es mit Silvester und Neujahr - ein ganz normales Wochenende, arbeitgeberfreundlich hieß das früher bei uns. Dafür darf diesmal wieder ohne Auflagen geböllert werden! Ich glaube das wird heuer richtig krass, wegen des Nachholbedarfs aus den letzten drei niederschmetternden Jahren. Da werden es einige so richtig krachen lassen. Kaufen Sie rechtzeitig Baldrian für Ihre Haustiere und richten Sie Schutzhütten für die Wildtiere ein.

Aber nochmal zurück zur Frage, warum es den zweiten Weihnachtsfeiertag gibt, und was es da genau zu feiern gilt. Ich habe meinen Mann gefragt, der war mal evangelisch, und wusste es nicht. Meine Mutter hat wieder nur gelacht, und mich angeschaut wie ein Auto, weil ich mit so einer Frage daherkam. Sie stammt aus einem katholischen Elternhaus, wusste es aber auch nicht. Im Ethikunterricht kam das Thema nicht vor, und so musste ich wieder das elektrische Schaf losschicken.
Bei Wikipedia erfährt man, dass rund um Weihnachten ganz früher acht Tage lang gefeiert wurde - ein Heiligengedenktag jagte den anderen. Am Ende des Dreißigjährigen Kriegs hat sich wohl der Reformer Luther durchgesetzt, der meinte, dass Arbeiten gottgefälliger sei als ausufernde Heiligenverehrung - so ungefähr. Nehmen Sie mein Gefrozzel nicht für bare Münze, zumal auf der Wikipedia-Seite wieder dieser Hinweis steht: Dieser Artikel oder nachfolgende Abschnitt ist nicht hinreichend mit Belegen (beispielsweise Einzelnachweisen) ausgestattet. Angaben ohne ausreichenden Beleg könnten demnächst entfernt werden. Bitte hilf Wikipedia, indem du die Angaben recherchierst und gute Belege einfügst.

Solche Belege habe ich nicht, mir reichen schon die fürs Finanzamt und die Pflegekasse. Ich wollte von den Wikipedianten wissen, warum es diese Feiertage gibt, aber die wissen eben auch nicht alles. Mann und Mutter sind vom Vorwurf der Unwissenheit eindeutig freizusprechen.
Trotz offizieller Verkürzung der weihnachtlichen Festivitäten auf zwei gesetzliche Feiertage ist die Ausübung der Weihnachtsrituale denkbar uneinheitlich: Die Katholiken feiern die Fleischwerdung am ersten, die Evangelischen am zweiten Feiertag, die Gänse sind inflationär teuer geworden, und die Veganer knabbern derweil indigniert am Salat. Die Franzosen sind mit dem Feiern schon fertig, und selbst im deutschsprachigen Raum muss man ganz genau wissen, wer wann was wo feiert und warum. Das ist echt kompliziert, hätte ich bloß nicht gefragt. 😅
Als ich bei der Augsburger Allgemeinen Zeitung meinen Wissensdurst stillen wollte, las ich am Ende des Artikels: "ViDer 2. Weihnachtstag, also der 26. Dezember, fällt 2022 auf einen Sonntag." Das hat mich verunsichert. Meine internetzgespeisten Kalender erklären mir, dass heute Montag ist. Habe ich einen Schalttag verpasst, taumelt die Erde schon wieder herum, oder ist ViDer ein Hinweis darauf, dass die Verantwortlichen in der Redaktion beim Verfassen des Artikels zuviel Glühwein getrunken hatten? Ansonsten haben sie aber schön kurz und knapp erklärt, warum wir heute frei haben. 😜

Siehe auch:  Wintersonnwendzeit, Mondfest, Himmelsschlüssel, Dornröschen, Weiße Weihnacht?, Weihnachten naht, Der Rest vom Fest, Wintersonnenwende, Glückskeks-Wahrheiten, Nichts ist unmöglich, Ab in Urlaub?, Bahn frei, Verfilzt, Zwiebelturm, Zwischen den Jahren

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