Montag, 5. Dezember 2022

Materie bindet


 #Blümchenkanne am #Altkleidercontainer

Es gibt zwar kein Foto vom zweiten Atsvents 2022, aber dafür läuft die neue Geschirrspülmaschine (Wochenendspaß)! 😃

Laut Angaben des statistischen Bundesamts aus dem Jahr 2014 hatte "vor einhundert Jahren, am Vorabend des Ersten Weltkriegs, jede Familie etwa 180 Dinge in ihrem Haushalt. Heute sind es 10.000." Mit diesem Thema hatte ich mich schon vor zwei Jahren befasst, Entrümpeln ist und bleibt ein Dauerbrenner.

Heute frage ich mich, wie das Amt diese Daten erhoben hat, und ob es 1914 überhaupt schon ein statistisches Bundesamt gab. Aber egal, das sind so fragwürdige Details am Rande meiner Wahrnehmung. Es wäre immer noch ein interessantes Experiment nachzuzählen, ob mein Mann und ich ungefähr so viele Gegenstände besitzen wie der durchschnittliche Bundeshaushalt. Als ich in Gedanken anfing zu rechnen, wurde mir das Problem der Datenerfassung in seinem vollen Ausmaß bewusst. Wie zählt man das?

10.000 Dinge
Zählt der Bestecksatz mit 36 Teilen in unserer Küchenschublade als ein einzelner Gegenstand? Wohl eher nicht. Aber den brauchen wir wirklich, wenn wir zu zweit vier Leute zum Essen einladen. Teller, Tassen, Gläser, Suppenschüsseln, Gläser, Töpfe, Pfannen... Rechnen Sie mit? Wir haben gerade erst angefangen. Ist eine Einbauküche ein Komplettgegenstand, oder zählen jeder Schrank und jedes Gerät einzeln? Was ist mit dem frischen Basilikum, den wir immer wieder erneuern, wenn wir den vorherigen aufgefuttert haben? 😅

Fragen über Fragen - und ein echtes Luxusproblem
Wenn Sie diesen Blog aufmerksam verfolgen, werden Sie schon mitbekommen haben dass mein Mann kaputte Gegenstände repariert. Deshalb hat er einen stattlichen, also überdurchschnittlich reichen Vorrat an verschiedenen Schrauben und Nägeln, viele Werkzeuge, und was man halt so zum Basteln braucht. Die 10.000-Gegenstände-Grenze knacken wir also garantiert. Da sind die fünf  alten Smartphones aus über zwanzig Jahren Mobiltelefonie echt wenig, und die meisten Leute sind baff, wenn sie sehen, wie klein unsere Kleiderschränke sind.

Schlimm wird es, wenn der Versicherungsagent kommt, und fragt, ob die Versicherungssumme ausreichen würde, um all das wieder anzuschaffen, was bei uns herumsteht und -liegt. Sicher nicht, es verdeutlicht jedoch die Tatsache, dass wir im Zweifelsfall mit viel weniger auskommen würden. Vom Minimalismus sind wir trotzdem weit entfernt. Das klappt nur vorübergehend, zum Beispiel auf Reisen, die wir ohnehin selten machen. Darum muss es zuhause muggelig sein.

Den Dingen Herr werden
Wer seine Mahlzeiten beim Lieferdienst bestellt, in eine Kantine geht, oder ToGo isst, braucht keine proppenvolle Küche. Wir kochen selbst. Unsere Schallplatten haben wir erst durch CDs ersetzt, später haben wir die Musik elektronisch gespeichert, und damit schon viele Gegenstände und Platz eingespart. Alte Fotos und Dias nebst Projektoren und Magazinen habe ich nach der Digitalisierung weitgehend entsorgt. Auch das spart definitiv Platz. Denoch bleiben all die Dinge, die das Leben gemütlicher machen, und die bei einem Umzug Fragen aufwerfen: Bilder an der Wand, dekorative Kerzenleuchter, persönliche Erinnerungsstücke. Da kommt einiges zusammen. Je länger man an einem Ort verweilt, und je mehr Stauraum man dort zur Verfügung hat, desto mehr sammelt sich an. Es ist ein guter Anfang, etwas Altes wegzugeben, sobald man etwas Neues dazu bekommt. Schön ist auch, dass man sich vieles ausleihen kann. 

Die Dinge in Bewegung bringen
Die alten Sachen tun's ja noch - das gilt vor allem bei Möbelstücken. Um den praktischen Klapptisch,  mein 3D-Puzzle im Büro des Mutterhome unterzubringen, musste ein anderer Tisch raus. Auseinanderbauen und im Keller einlagern? Nein, bitte nicht, der ist schon voll. Die Mutter war von meinem Plan nicht begeistert, und hat mir flugs erklärt, woher sie diesen Tisch hatte, und dass man so etwas Hochwertiges heute gar nicht mehr bekommt. Mein Bruder meinte, ich könnte die gläserne Tischplatte hochkant hinter den Schrank schieben, da nähme sie keinen Platz weg. Oh bitte, nicht noch einen Staubfänger... Schließlich hat er sich dieses Objekts angenommen, so ist das gute Stück wenigstens "in der Familie geblieben". Man kann nicht alles auf Ewig behalten. Manche Möbel, die man nicht einmal an eine andere Stelle rücken kann, verkörpern einen lähmenden materialisierten Stillstand. Da hilft eine neue Tapete nur bedingt, und darum werde ich beim Anblick von Einbauschränken oder Schrankwänden nervös.

3D-Puzzle für Fortgeschrittene - deutlich einfacher als der Geschirrspüler 😏


Erinnerungen platzsparend verwalten
Auf alten Fotos entdecke ich manchmal Möbel oder Gegenstände, die mich jahrelang begleitet hatten. Im Nachhinein bin ich froh, dass ich mich davon getrennt habe. Mit jedem Ding lässt man einen Teil der Vergangenheit zurück, und es entsteht Raum für etwas Neues, im materiellen, aber auch im übertragenen Sinn. Beides beeinflusst sich wechselseitig, darum ist es manchmal ein guter Impuls, die Möbel umzustellen oder auszutauschen, wenn man eine andere "Energie" im Leben nötig hat - Feng Shui, Sie wissen schon. 😁
Heute finde ich es höchstens schade, dass ich früher nicht mehr von diesen banalen Alltäglichkeiten fotografiert habe. Sie erscheinen in den Fotos irgendwo am Rand oder im Hintergrund. Beim Durchblättern der Bilder überwiegt das Gefühl, dass die alte Zeit ein für allemal vorbei ist. Wehmut? Nein. Mittlerweile fotografiere ich diese Dinge ganz bewusst, weil es mir den Abschied erleichtert.

Sakrileg oder Befreiungsschlag?
Da liegen und stehen sie herum: Geschenke von guten Freunden, besondere Erinnerungsstücke, Erbstücke, antike Möbel. Irgendwann muss irgendjemand all das "wegräumen". Jemand, der keinen persönlichen Bezug zu diesen Gegenständen hat, tut sich leicht. Da wird nur nach dem materiellen, nicht nach dem ideellen Wert gefragt. Mülltonne, Flohmarkt, eBay. Solange wir uns freiwillig davon trennen, ist es eine Erleichterung. Werden wir dazu genötigt, ist es eine Qual.
In der Kommode meiner Mutter liegt seit Jahrzehnten jede Menge "Tischwäsche" unbenutzt und fein säuberlich gebügelt herum. Ich habe noch nicht gewagt, sie anzutasten, obwohl wir den Platz für Pullover, T-Shirts und Wechselbettwäsche dringend brauchen könnten. Ohne es anzusprechen weiß ich, dass es ein Sakrileg wäre, diese "Mitgift" in Frage zu stellen. Ich bin sicher, dann käme der Satz: "Dann kannst du mich auch gleich zur Altkleidertonne bringen." Da ist sie sehr empfindlich. So wie ich bei anderen Dingen. Jeder hat so seine Baustellen. 😙
Als mein Mann neulich seinen Schreibtisch aufgeräumt hat, sind vier Radierungen seines Großvaters aufgetaucht, düstere kriegsschwere Motive aus dem Jahr 1919. Auch mein Großvater, Jahrgang 1892, hat gemalt, Ölgemälde und Aquarelle. So etwas schmeißt man nicht weg, es passt aber auch nicht alles an die Zimmerwand...

Vor ein paar Tagen lief im Mutterhome eine Sendung über irgendeine Promi-Dame, die ihren begehbaren Schrank präsentierte, und sinngemäß erklärte: "Wenn meine zehntausend Paar Schuhe keinen Platz mehr haben, dann baue ich eben an, oder kaufe mir ein größeres Haus." Ja genau. Man braucht die richtigen Ziele im Leben.

Ach ja, das statistische Bundesamt wurde 1948 gegründet. Deshalb bleibe ich mit den "180 Dingen im Jahr 1914" skeptisch. Um die Zukunft müssen wir uns nicht sorgen: 2034 läuft alles digital. Basierend auf dem Kaufverhalten wird dann ein Algorithmus berechnen, wie viele Gegenstände wir besitzen, welche wir entsorgt, und welche wir bei eBay weiterverkauft oder bei nebenan.de verschenkt haben. Wer dann nicht genug konsumiert, ist vermutlich "nutzlos als Bürger dieser Welt". Flohmärkte und Verschenk-Kisten am Straßenrand bleiben für die digitale Zählung unerreichbar. Die sollten mit RFID-Chips versehen werden, damit man immer weiß, wer welchen Gegenstand gerade hat und wo er sich befindet. Der Chip schlägt nicht nur Alarm, wenn das getrackte Objekt verliehen oder verloren wurde, das Ganze ist auch eine super Idee für Tüddelige, die ihre Schminkutensilien in ihrem Handtäschchen nicht mehr finden, oder die Lesebrille verlegt haben. 😏 Schöne Neue Welt, oder?

Siehe auch: Alter Krimskrams, Jeden Tag ein Ding, Die Last des Alltäglichen, Bevor Sie sterben, Voll energetisiertNachtgespenster und Kellergeister, Randnotizen der Digitalisierung, Unfug, Geld für Müll..., Shoppen beim Universum, Aufgehorcht und nachgedacht, Pass auf, was du denkst!, Wochenendspaß..., Irrationale Schlüsselfragen, Kindheitserinnerung, Wenn das Notebook niest, Sturm!, Festplatten Feng-Shui, Mutternproblem, (Un)Ordnung, Erbstücke, Früher war mehr Lametta

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