Donnerstag, 8. Mai 2025

Voll leer

28 mm | 1/30 s | f2,2 | ISO 320 | Smartphone

#Glas  #Flacon  #detailverliebt
#Muttergeschichten #Pflegeheim

Das Lieblingsparfüm meiner Mutter ist leer, darum hat sie mir beim letzten Heimbesuch den leeren Flacon mitgegeben, damit ich auch weiß, wie groß das Fläschchen ist, für das offensichtlich eine Erneuerung gewünscht wird? Gesagt hat sie das nicht explizit. 😅
Am Wapperl hat sie wohl schon gezupft, die Flasche ist ja leer. Dieser Aufkleber darf bei einem teuren Originalparfum natürlich nicht fehlen, weil man sehen soll, worum es sich beim Inhalt handelt. Derlei auf dem Nachttisch platzierte Objekte hatten in den letzten Jahren bei Pflegekräften vereinzelt Begehrlichkeiten geweckt. 

"Die hat einfach mein Parfum benutzt!",  hatte meine Mutter mir vor zwei oder drei Jahren eines Morgens erzählt, sichtlich echauffiert.
"Das geht gar nicht", hatte ich ihr damals erklärt, und wollte schon den Pflegedienst über den Vorfall informieren. Im weiteren Verlauf des Gesprächs stellte sich aber heraus, dass meine Mutter dieser Pflegekraft doch irgendwie erlaubt hatte, das Parfum zu benutzen. 😳
"Wenn du das nicht willst, dann sag ihr das", meinte ich, überflüssigerweise, denn es war und ist so eine typische Muttergeschichte: Der sogenannte Double Bind, die Doppelbotschaft. Man sagt das eine (Nein!), tut aber das genau Gegenteil (Ja!). Das ist alles andere als eine klare Ansage. 😕 Kennen Sie dieses Phänomen auch von irgendwoher? Ich bin damit aufgewachsen.

Was auch immer Sie machen: Es ist verkehrt.
"Als Doppelbotschaft (englisch double bind) bezeichnet man ein dysfunktionales (bei häufiger Verwendung pathologisches) paradoxes Muster zwischenmenschlicher Kommunikation, das häufig in „gestörten“ Beziehungen auftritt.
Der Empfänger solcher Botschaften steht vor dem Dilemma, wie er sich verhalten soll, weil er nicht beide Botschaften gleichzeitig befolgen oder für wahr halten kann und ihm unklar ist, welche der Botschaften er beachten soll. Meist kann er die Zweideutigkeit dieser Botschaft nicht bewusst erkennen.
Eine solche Kommunikation erzeugt beim Empfänger Verwirrung, Unsicherheit, Stress und kann, wenn Doppelbotschaften häufig verwendet werden, unter Umständen den Empfänger dieser Botschaften langfristig krank machen oder schwere Beziehungsstörungen auslösen.
Doppelbotschaften können in manipulativen Beziehungen dazu eingesetzt werden, den Partner ins Unrecht zu setzen, zu kritisieren, abzuwerten, zu verunsichern (und letztendlich zu schwächen), da dieser nicht richtig handeln kann und zwangsläufig gegen eine der beiden Botschaften verstoßen muss." (Wikipedia)

Ein Double Bind tritt gerne auf, wenn man sich nicht traut, Nein zu sagen. Das kann meine Mutter schon, vor allem, wenn ihr etwas absolut gegen den Strich geht. Vom Nein macht sie inzwischen häufig Gebrauch, erlebt aber auch, dass es mehr Konflikte im Außen erzeugt.
Wenn man mit Menschen zu tun hat, die das Nein übergehen und konsequent ignorieren, wird es brenzlig. Da wird jede*r irgendwann wütend. 😡 Lässt sich so ein Konflikt nicht lösen, bleibt als letzte Notbremse der Kontaktabbruch - also eine räumliche Trennung oder konsequentes Schweigen 😶, um den "ewigen Streiereien" aus dem Weg zu gehen.

So manche Situation im Doppelzimmer, die ich in den letzten Wochen im Pflegeheim miterlebt habe, erinnerte mich an meine Jugend. Meine geschlossenen Kopfhörer mit lauter Musik waren eine große Hilfe, um mich vor den ewigen Streitereien im familiären Umfeld abzuschirmen. Eltern sind Vorbilder, leider nicht immer die besten. Da ist es wieder, dieses "Loch in der Straße", um das man besser einen großen Bogen macht. 

"Hier ist die Flasche", sagte meine Mutter, "damit du weißt, welche Größe es ist." Dann fügte sie noch hinzu: "Es gibt sowieso nur Fälschungen, da wo du es immer im Internetz bestellst." 😕
"Diese Flasche war direkt aus dem Fachhandel", stellte ich klar 😒, überflüssigerweise, denn die Mutter kennt sich aus: Auch der Fachhandel verkauft nur billige Fälschungen. Das ist alles Mafia! 😤

Was würden Sie in dieser oder einer ähnlichen Situation tun? 😕
Die Handlung (Körpersprache, Gestik, Mimik) meiner Mutter waren die halbwegs klare Botschaft. Kaufen! Da ich aber nur eine Fälschung kaufen kann, meine Mutter aber selbstverständlich ein Original haben möchte, ... besser nicht kaufen! Falls doch, dann nur unter allergrößten Anstrengungen, am besten mit einem notariell beglaubigten Zertifikat des Herstellers. Wenn die Mutter die Lieferung hinterher überprüft, wird sich erneut herausstellen, dass es doch kein Original sein kann, denn es riecht einfach nicht mehr wie in den 1960er Jahren. 😖

Es ist ein Dilemma, nahe verwandt mit dem Brettspiel "Mühle": Die Zwickmühle ist echt fies, aber ich habe eine geniale Idee: Ich lasse meinen Bruder das Parfum besorgen! 😁

Voll leer ist übrigens ein sogenanntes Oxymoron: eine rhetorische Figur, bei der eine Formulierung aus zwei gegensätzlichen, einander widersprechenden oder sich gegenseitig ausschließenden Begriffen gebildet wird, wie zum Beispiel „alter Knabe“.
Das Stilmittel wird verwendet, um beispielsweise dramatische Steigerungseffekte zu erreichen oder kaum Auszudrückendes oder gar Unsagbares in ein Gegensatzpaar zu zwingen und dadurch zum Ausdruck zu bringen. (Wikipedia) 

Wenn ich mich unklar ausdrücke, wissen Sie jetzt wenigstens, woher das kommt. Meine Therapeutin hilft mir, daran zu arbeiten. Wenigstens ist das Tabletop-Foto diesmal schön klar. 😅

Siehe auch:  Kiesgrube, Das Wapperl muss weg!, Da muss ich ja denken!, Alles Banane?Konfliktscheu, Augen-BlickeMustererkennung, So präzise wie möglich, Stille(s) Wasser

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