Montag, 30. Juni 2025

Sommersitz im Grünen

27 mm | 1/120 s | f1,6 | ISO 50 | Smartphone

#Sitzgelegenheit
#Redaktionssitzung  #Muttergeschichten

Eine stille Sitzgelegenheit im schattigen Grün hatte ich mir fürs CSD-Wochenende herbeigewünscht, und prompt das passende Fotomotiv am Wegesrand gefunden. 😁 Zum Hinsetzen und Verweilen war es nicht geeignet: Zecken oder Mückenstiche will ich mir nun auch nicht einfangen. Am angenehmsten ist es momentan irgendwo im Schatten, und es sollte ein kühlendes Lüftchen wehen. Durchzug, den man normalerweise nicht haben will. 

Im Pflegeheim stehen viele Türen weit offen, Ventilatoren auf dem Flur hatte ich auch schon gespürt, noch bevor ich sie gesehen hatte. Alte Menschen sind verschieden, generell frieren sie eher, als dass ihnen zu warm wird, aber zu warm ist dann auch nicht gut. Am härtesten trifft es das Pflegepersonal, das, egal bei welchen Temperaturen, in Dienstkleidung durch die langen Gänge eilt. 

Meine Mutter war gestern beim "Frühschoppen" wieder deutlich besser drauf, auch weil ich eine Flasche Wein und Nachschub an very feines Gebäck! mitgebracht hatte - Jubelschrei. Ja, manchmal komme ich mir vor wie Rotkäppchen, nur in der modernen Version - mit Rucksack und Sonnenhut. 😏

Für mich hatten die Damen schon ein Kännchen Kaffee bereitgestellt - was für ein Service! 😃 Während ich mich damit stärkte, entdeckte ich unter dem unlängst an der Wand aufgehängten Keramikdekoherz (>Herzmotiv) ein A4-Plakat, einen überdeutlichen Hinweis auf die nächste Karaoke-Veranstaltung im Juli. 

"Die wollen, dass wir mitkommen", erklärte meine Mutter, "weil da anscheinend keiner hingeht. Singen kann ich mit meiner dünnen Stimme zwar nicht, aber ich schaue mir das an", fuhr sie fort, "damit ich weiß, was sie da für eine Musik spielen." Während diesmal im Hintergrund der Schlagergarten im Vormittagsprogramm des ZDF lief - eine unerwartete Neuerung -  hörte ich meine Mutter auch noch sagen, dass sie jetzt schon ein bisschen singen übt. Neue Töne! 😊
 
"Gestern haben sie mich wieder zu ihrem Abendprogramm mitgenommen", berichtete die Mutter weiter, und: "ich sitze immer direkt neben dem Rothemd." (Rothemden sind die Therapeutinnen, die das Beschäftigungprogramm anleiten - zu erkennen an ihren knallroten Shirts.)
"Es waren wieder lauter Leute in der Runde, die mit dem Kopf auf dem Tisch lagen", ließ meine Mutter mich wissen, und ich verstand, was sie meinte: Es gibt BewohnerInnen, die entweder einschlafen oder sich aus gesundheitlichen Gründen kaum im Sitzen aufrecht halten können. Wenn so eine Runde im Garten oder im Gruppenraum sitzt, ist das kein erbaulicher Anblick. Beschäftigungsangebote sind trotzdem wichtig, und oft auch sehr willkommen im eintönigen Heimalltag. 
"Worum ging es bei dieser Sitzung?", erkundigte ich mich.
"Deutschland!", erklärte meine Mutter, und ihren nachfolgenden Ausführungen entnahm ich, dass es wohl eine Art Geografiestunde war. Spielerisch die Erinnerungsfähigkeit trainieren...
"Wenn ich etwas gewusst habe, dann habe ich den Finger gehoben und geantwortet", berichtete meine Mutter, aber ansonsten war das Ereignis für sie eher eine Stunde in Menschenbeobachtung. 
Nach solchen Gruppenveranstaltungen werden die BewohnerInnen von den Pflegekräften und Therapeutinnen wieder zurück auf die Station gebracht. Bis alle vom Garten mit Rollator oder Rollstuhl zurück ins Gebäude, und mit dem Aufzug in die vierten Etage begleitet sind, vergeht ein bisschen Zeit. Die hilfsbedürftigsten Personen sind als erste dran. Die anderen bleiben derweil noch eine Weile sitzen, bis auch sie abgeholt werden, oder sich selber auf den Weg machen. 
"Und dann ist eine Maus 🐁 aufgetaucht!", erzählte meine Mutter amüsiert. 
"Eine echte Maus?", hakte ich nach. Es hätte ja auch ein neuer Codename für Pflegekräfte sein können, wie Schmetterling 🦋 oder Biene Maja 🐝. 😉
"Ja", bestätigte meine Mutter, "eine kleine schwarze Maus. Die ist mir letzte Woche beim Sommerfest schon aufgefallen. Es sind mehrere", fügte sie hinzu, "die kommen raus, und holen sich die Krümel vom Boden."
Mit einem verschmitzten Grinsen meinte sie: "Ich habe keine Angst vor Mäusen, ich mag die. Und dann habe ich mir vorgestellt, was wohl passiert, wenn hier einer aus der Truppe Angst vor Mäusen hat, sie entdeckt und laut herumschreit!" 😂
Ich musste an die Episode mit meiner Mutter denken, als sich im Frühjahr ein Käfer 🐞 ins Zimmer verirrt hatte. Mäuse mag sie, Käfer nun so gar nicht, also gab es Aufruhr ohne Ende... 👵👴👵🐭😨😱😬 
Die von meiner Mutter visualisierte Szene kann ich mir auch gut vorstellen. Als Optimistin gehe ich davon aus, dass das Erscheinen von Mäusen im Garten bekannt ist, und dass Maßnahmen dagegen ergriffen werden, bevor eine Mäuseplage daraus wird. Im Außenbereich der Cafeteria fällt immer irgendetwas Essbares auf den Boden, es herrschen also optimale Futterbedingungen für unerwünschte Nager, Tauben und Krähen.
"Ich habe meine Chipskrümel unter den Tisch gestreut", verriet meine Mutter mit einem schelmischen Blick. Dabei ist mir eingefallen, dass es in diesem Heim auch eine Art Streichelzoo gibt, der auf der Webseite beworben wird. Ich werde nachfragen, wann meine Mutter einen Ausflug dorthin unternehmen kann. Vielleicht sogar noch vor dem Karaoke-Abend?

Siehe auch: Ein Platz im Grünen,  Nobel, Neueröffnung, #Meditation, Unter der Weide, Quality Time, Zeit, Hanglage, Großstadtdschungel, Freie Platzwahl, Aussitzen, Monobloc blau, Im DurchgangGut sitzen können, Unaufgeräumt, Licht- und Hirngespinster, Gebäck, very fein!, Herzmotiv

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