Freitag, 7. April 2023

Nicht kleckern, sondern putzen!

#Muttergeschichten

Normalerweise kriege ich die Krise, wenn ich solche Kleckser auf dem Fensterbrett vorfinde. Im Mutterhome pflege ich die Pflanzen, zuhause erledigt das mein Mann. Während ich mir große Mühe gebe, beim Blumengießen möglichst nicht zu kleckern, damit ich nicht nochmal zum Putzschwamm greifen muss, plitschert mein Mann mit der Kanne fröhlich durch die Bude. Diesmal war offensichtlich Dünger im Gießwasser.
Wenn Sie verheiratet oder verpartnert sind, in einer Wohngemeinschaft oder in vergleichbaren Konstellationen leben, dann wissen Sie: In solchen Situationen lauert ein gewisses Konfliktpotenzial. Am elegantesten lässt es sich durch eine neutrale dritte Institution entschärfen, eine "Putzperle". So jemanden haben wir nicht, folglich müssen wir unsere Klecker-, Fettige-Fingertapser- und Staubschicht-Situationen selbst bewältigen. 

Ich habe das heute so gemacht: Kamera gezückt, Klecks fotografiert und zum Ehemann gesagt: "Wow - dieser Klecks ist ein echtes Kunstwerk!" Ich habe das wirklich ernst gemeint, denn die Klecks-Entdeckung enspricht genau dem Zitat von Pearl S. Buck:  

Die wahre Lebenskunst besteht darin, im Alltäglichen das Besondere zu sehen.

Wir haben noch nicht geklärt, wer den Klecks am Ende wegwischt. Momentan handelt es sich um ein temporäres Werk der zeitgenössischen, abstrakten Kleckerkunst, dem sicher noch viele folgen werden: Neues Fotoprojekt. 😏 Man kann auch einfach zum Schwamm greifen, völlig unbelastet, oder zähneknirschend, oder eine dieser Diskussionen anfangen, die der Liebe nicht förderlich sind, und schon gar nicht am Karfreitag.
Verwandelt man ein Ärgernis in einen kreativen Ausdruck, ist das vielleicht Schönfärberei, oder geschicktes psychologisches Reframing. In der Psychoanalyse spricht man von Sublimierung.  Ob so oder so: Diese Vorgehensweise entspricht auch der Weisheit, dass es nicht die Dinge an sich sind, die uns unglücklich oder ärgerlich machen, sondern unsere Sichtweise darauf. Ein Dreckfleck macht ärgerlich und verdirbt die Stimmung, ein Kunstwerk macht kreativ und glücklich. Bin ich lieber glücklich oder unglücklich? Sehen Sie. 😇 Manchmal ist es ganz einfach.

Szenenwechsel
Als ich am Gründonnerstag mit dem Staubsauger herumwirbelte, sagte meine Mutter: "Da hinten unter dem Schrank ist es ganz grau!" Das war faktisch korrekt, allerdings sieht man den Staub nur, wenn man exakt auf dem Muttersessel sitzt, oder sich auf den Boden kniet, und unter den Schrank blickt. Das macht meines Wissens niemand, der zu Besuch kommt, und der Pflegedienst erst recht nicht.
Der Satz "Unter dem Schrank ist es ganz grau!" enthält keine konkrete Anweisung, den Staub zu entfernen. Es ist eine Aussage, aber wenn man mit dem Apell-Ohr hört, weil man so erzogen wurde, dann enthält dieser Satz die Aufforderung: "Mach das weg, und zwar zackig!" Weiterhin enthält der Satz eine emotionale Botschaft: "Du willst doch nicht, dass deine arme alte Mutter unglücklich ist, weil sie sich den ganzen Tag den Staub unter dem Wohnzimmerschrank anschauen muss. Sie kann das doch nicht mehr selber machen, obwohl sie das so gerne würde."
Horch mal, wer da spricht?! Was glauben Sie, wie lange ich gebraucht habe, um dieses Scheiß Muster zu erkennen. Mein Mann ist ein toller Coach. Der würde sagen: "Dann schau halt nicht die ganze Zeit unter den Schrank." 😂

Reiche ihr (nicht) den kleinen Finger...
Meine Mutter kann kaum etwas anderes tun als den ganzen Tag in ihrem Sessel sitzen, und den Blick durch's Zimmer schweifen lassen. Für ihr Alter hört sie nicht nur erstaunlich gut, sie sieht auch gut, vor allem in die Ferne. Dabei entdeckt sie überall Staub und Fussel, oder Krümel auf dem Teppich.
Ich wollte nett sein, und habe mit dem Staubsauger nochmal einen Schlenker gedreht. Dummerweise kommt man mit dem Sauger nicht an die verstaubten Stellen ran, sonst wären sie ja nicht staubig. Nun hätte ich mich also runterbuckeln und dem visuellen Ärgernis mit einem Staubwedel oder Mopp zu Leibe rücken müssen.
Wenn ich damit angefangen hätte, wäre als nächstes die Aufforderung gekommen, dass ich doch gleich auch noch auf den Schränken abstauben könnte. Dazu hätte ich wiederum auf eine - zu holende - Leiter klettern, und den dekorativen Nippes herunterheben müssen, und wenn man den schon mal in der Hand hat, kann man ihn ja auch gleich saubermachen. Am besten abspülen, in der Küche. So kommt eins zum anderen, und aus einer kurzen Putzaktion wird unversehens ein Großputz. Ne, wirklich nicht.
Sauberkeit ist die eine Sache, das Wieder-Arrangieren der Deko-Stücke, am exakt richtigen Platz, im perfekten Winkel, eine andere. Wenn ich mich darauf einlasse, bin ich einen Tag lang beschäftigt. Unterwegs fallen meiner Mutter dann noch zweihundert andere Kleinigkeiten ein, die ich auch mal machen könnte. Also  nein, der Staubwedel bleibt im Schrank.

Untauglich!
"Dich könnte ich bestenfalls als ungelernte Hilfskraft einstellen", hatte meine Mutter vor einiger Zeit kopfschüttelnd kommentiert, als ich in ihrem Zimmer irgendeine Deko zurechtrücken sollte, die verrutscht war. (Garantiert der Pflegedienst.) Dekoriert hat sie immer gerne, das konnte sie wirklich gut, und sie lässt sich auch sehr gerne für ihren guten Geschmack bewundern. Jetzt putze ich zu oberflächlich und rücke ihre Sachen nicht richtig hin, und das sieht alles gar nicht gut aus.
Wieso ich denn so anders sei, und in Design-Angelegenheiten so unbegabt. Sie selbst sei schon als Kind so gewesen, sinnierte meine Mutter, "mit meiner Puppenstube. Bei mir war immer alles blitzblank und ordentlich!"
Oh ja. Die Wäsche war perfekt gemacht, gebügelt und gestärkt, säuberlich in den Schrank gestapelt, die Fenster jede Woche geputzt, die Fliesen glänzend, die Böden sauber, die Waschbecken tiptop. So bin ich aufgewachsen, mit der perfekten Hausfrau als Mutter, und voll berufstätig war sie auch noch. Dass sie bei all der Arbeit keine Zeit für andere Dinge hatte, ist logisch.
Jetzt muss sie ausgerechnet mit mir vorlieb nehmen. Ich frage mich manchmal auch, welches miese Karma uns beide in den gleichen Haushalt katapultiert hat.
"Warum bestraft mich der liebe Gott so?", fragt sie immer wieder. Ich frage mich das auch, und bin mir noch unsicher, ob ich das alles nur über mich ergehen lasse, um gutes Karma zu sammeln, oder ob ich selber irgendwas verbrochen habe, und deshalb in so eine Art Putz- und Haushalts-Straflager mit Musikfolterstunden verbannt wurde. Ich bekenne: Manchmal stelle ich mich absichtlich so ungeschickt an, um nicht noch mehr von diesen Butler-Aufgaben aufgebrummt zu bekommen. 😏

Beziehungskiller
Mein erster Lebensgefährte, mit dem ich schon dieselbe Wohnung geteilt hatte, in der heute meine Mutter sitzt, hatte mir mit Anfang zwanzig einen Putzfimmel bescheinigt. Dabei war ich schon damals weitaus lässiger in Haushaltsangelegenheiten als meine Mutter. Im Laufe meines Lebens habe ich gelernt, wie man einen bis vier Gänge runter schaltet, wenn man eine glückliche Beziehung führen, und sich nicht dauernd über Kleckse, Staub und Brösel auf der Küchenarbeitsfläche streiten will. 

Für meine Mutter, die sogar Unterhosen gebügelt hat, muss es die Hölle sein, dass ich mich jetzt um alles kümmere. Die Putzhilfe, die ich ins Haus geholt hatte, ist irgendwann nicht mehr gekommen. Sie hatte sich wohl auch gewundert, wozu wir sie eigentlich brauchen. Im Heim wäre alles noch viel schlimmer, darum geht meine Mutter keinesfalls in so eine Anstalt! Die können ja nicht mal richtig Betten machen, heutzutage. Und wenn die Pflegekräfte Pullover oder T-Shirts aus der Kommode kramen, ist Stimmung in der Bude.
"Machen die das zuhause auch so?", fragt sie mich dann, und ich sage: "Vermutlich."
Damit die Pflegekräfte nicht in der Schublade wühlen, hänge ich abends die frische Wäsche für den nächsten Tag griffbereit über die Stuhllehne. Es dauert keine zwei Sekunden, bis die Mutter sagt:
"Hängt der Pullover richtig? Ist das Etikett innen? Der hängt nicht gerade."
Einmal habe ich einen Meterstab aus dem Schrank geholt, und vor ihren Augen mit großer Geste nachgemessen, ob der Pullover wirklich exakt gerade hängt. Den Wink mit dem Zaunpfahl hat sie verstanden, aber es ändert nichts. Ich glaube für mich ist das einfach nur ein knallhartes Bootcamp, in dem ich lerne, innerlich immer freier zu werden.
Unter'm Schrank ist es immer noch grau. Ich habe jetzt vier Tage Osterfrei und bin sicher, dass mein Bruder den Staub auch nicht weggeputzt haben wird, bis ich am Dienstag wieder zum Mutterdienst antrete. Manche Freiheiten muss man sich nehmen, und am besten jeden Tag eine mehr.

Siehe auch: Splash!, Klatsch!!!, Ist das ein Nasobehm?, Augen auf!, Hilfeee!, Psychoworld, Uhrwerk blau, Aprilwetter, Abstrakte Kunst, Endlich....!, Pissblume, Blühende Freundschaft

 #Muttergeschichten, Zombie?!, Fuchs und Hase 2023, Sommerkonzert, Da muss ich ja denken!, Mutternproblem

Weiterführende Links

2 Kommentare:

Claudia hat gesagt…

Ach je, das ist wahrlich nicht leicht. Ich bewundere deine Stärke und Nerven.
Genieße deine freien Tage. Schöne Ostern
Liebe Grüße Claudia

betrachtenswert hat gesagt…

Liebe Claudia,
vielen Dank, das werde ich - auch wenn ich mir etwas schöneres / wärmeres Wetter für die Feiertage erhofft hatte. Aber so habe ich mal wieder Zeit, in anderen interessanten Blogs zu stöbern. :-)
Herzliche Grüße,
Jacqueline