#Wandmalerei #Agilolfingerstraße #Untergiesing #München
Im 6. Jahrhundert zogen die Agilolfinger nach Bayern. Ja, und wie geht die Geschichte weiter? Das habe ich mir schon oft beim Anblick dieser Wandmalerei gedacht. Der Text erklärt lediglich den Anlass, warum die Straße Agilolfingerstraße heißt, aber das war's dann auch. Muss man denn alles im Internetz nachschauen? Wer waren diese Agilolfinger, wo kamen sie her, wo gingen sie hin, und was haben die gemacht, als sie damals kamen? Gibt's noch welche, und wenn ja: Was machen die heutzutage? Fragen über Fragen. 😉
Vielleicht fragen Sie sich auch, ob der Wandgemäldekünstler A. Bosch - über den im Internetz auch nichts zu finden ist - bei seiner visuellen Darstellung im Jahr 1960 historisch korrekt war. Das Pferd, auf dem der Agilolfinger die Hauswand entlangreitet, sieht aus, wie der Kleine Onkel von Pippi Langstrumpf. Hatten die Agilolfinger wirklich solche Reittiere, ist das Fake oder fällt das unter künstlerische Freiheit!?
Dieses Detail lässt sich zumindest teilweise nachvollziehen: Pferde mit einer so ungewöhnlichen Fellfarbe bezeichnet man als Tigerschecken. Die kamen nicht etwa aus Amerika, sondern ursprünglich aus Spanien. Sie tauchen sowohl in der chinesischen wie auch in der frühen arabischen, und später in der europäischen Kunst wiederholt auf. Speziell Adelige, Könige und Heilige wurden oft auf Tigerschecken dargestellt. Ob die Agilolfinger tatsächlich welche hatten, erfordert mehr Recherche. Bemerkenswert ist, dass auch auf den (bisher) ältesten Wandmalereien in einer Höhle bei Peche Merle solche Pferde zu sehen sind, und diese Quelle ist 16.000 bis 20.000 Jahre alt! Was wir alles nicht wissen...
Frag-würdig...?
Quellenangaben fehlen!
"Die Frage nach der Herkunft der Agilolfinger ist kaum zu beantworten, da
die gesellschaftliche Elite im Frühmittelalter über die Völkergrenzen
hinweg vernetzt und verwandt war", ist auf den Seiten des Historischen Lexikons Bayern zu lesen. Auch bei Wikipedia erfährt man im Großen und Ganzen: Es war sehr kompliziert, so eine Art Game of Thrones. Beteiligte waren Franken, Baiern, ein paar andere Gruppen aus der Umgebung, und mächtige Familienclans. Das waren nur Herzöge, keine Könige, also eher zweitrangige Gesellen? Bei der Recherche fallen die wiederholten Hinweise auf, dass viele Informationen nicht mit soliden Quellen belegbar seien, und eher auf Interpretationen basieren. Wenn die Leute damals schon gewusst hätten, wie wichtig Selbstmarketing ist, hätten wir heute mehr Futter, wüssten mehr über Zusammenhänge, und hätte viel mehr interessante Geschichte(n). 😉
Finstere Zeiten
Das Mittelalter - etwa die Zeit zwischen dem 6. und 15. Jahrhundert -
wird oft als "finster" bezeichnet, weil es aus dieser Phase wenige Aufzeichnungen gibt. Ich habe mal gehört, dass es durchaus Quellen gäbe, viele aber noch gar nicht von Historiker*innen gelesen und erforscht
wurden. Überlegen Sie sich das mal: wir sprechen von einem Zeitraum von rund neunhundert
Jahren, das ist ganz schön lang für eine Gedächtnislücke. Vielleicht sollte sich Netflix um die
Recherche kümmern, und mit einer schönen Serie Licht ins Dunkel bringen? Game of Agilolfingers oder so. 😜 Das käme vielleicht an die Hitler-Tagebücher von Konrad Kujau/dem Stern ran, und wäre wahrscheinlich unterhaltsam.
Familiendrama
Zumindest eine kleine Episode aus der besagten Zeit ist hinreichend belegt, weil sie sich um den Wanderprediger Emmeram von Regensburg dreht. Der Klerus hat gerne und viel aufgeschrieben, darauf basiert ein Großteil unseres heutigen Wissens über frühere (finstere) Zeiten.
Die Geschichte von Emmeram ist tragisch: Er wurde auf Befehl des Agilolfingers Theodo erst fies gefoltert und anschließend enthauptet, das aber nur aus Versehen. Die Prinzessin Uta, Theodos Tochter, hatte ein Techtelmechtel mit einem (nicht standesgemäßen) Beamtensohn, und war dummerweise schwanger. Emmeram wollte sie vor ihrem (vermutlich jähzornigen) Vater beschützen, und meinte, dass sie dem Papa erzählen solle, dass Emmeram mit ihr in die Kiste gestiegen sei. Derweil wollte der fromme Mann nach Rom reisen und beim Papst Unterschlupf suchen, bis sich die Wogen geglättet hätten. Schlechter Plan!
Theodo schickte seine Truppen hinterher. Es kam zur Folterung nebst Hinrichtung des Emmeram, was Theodo hinterher total Leid tat, als er die Wahrheit erfuhr. Zu spät. Immerhin: Emmeram wurde heilig gesprochen, und Uta nach Italien verbannt. Was aus dem Beamtensohn und dessen unehelichem Kind wurde, steht nicht bei Wikipedia. Angesichts der blutrünstigen Vorgeschichte kann man sich das ungefähr ausrechnen: Der Theodo war sicher noch wütender, weil er nun den heiligen Emmeram auf dem Gewissen hatte... Traumatisch, für alle Beteiligten, und Familientherapie gab's damals noch nicht.
So etwas erfährt man also, wenn man Wandmalereien genauer inspiziert. 😆 Geschichte kann schon spannend sein, wenn man sie gut erzählt - wie bei Romeo & Julia, nur anders. Wenn Emmeram einen schnellen Tigerschecken gehabt hätte, wäre er Theodos Truppen vielleicht entwischt, und für etwas anderes heilig gesprochen worden? Eine so große und undurchsichtige Familie wie die der Agilolfinger böte wiederum genug Material für viele Serien-Staffeln oder Spin-Offs. Die Wissenschaft sollte mal anfangen Fakten zu recherchieren, sonst kommen ihnen die Blogger, Roman- und Drehbuchautoren zuvor. 😅
Siehe auch: Einmal kärchern bitte, Kunst am Bau, Renovierungsbedürftig, Auf Empfang, Mauerwerk, Hausfigur, vermutlich unheilig, Hausmittel, Stadtmöblierung, Ofenfrisch, Selektiv wahrgenommen, Ins Museum?, 4711: ChatGTP im Mutterhome, Gscheidhaferl-Gesetz §1, Segnung der digitalen Moderne
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