Freitag, 21. Juni 2024

Einmal kärchern bitte

107 mm | 1/800 s | f8 | ISO 125 | Lumix FZ1000

#Skulpturen  #Sehenswürdigkeiten  #Gegensätze
#Luitpoldbrücke #München #Bogenhausen #Lehel
#Sommer2024

An der Münchner Luitpoldbrücke gibt es vier überlebensgroße allegorische Figuren, die die vier Stämme Bayerns darstellen sollen. Die "Frau mit den Trauben" befindet sich am westlichen Isarufer, sie repräsentiert die Pfalz, und wurde von August Drumm gestaltet. Im Hintergrund erhebt sich der 'Friedensengel', der am östlichen Hochufer der Isar in Richtung Stadtzentrum blickt.

Das ist ein informativer Text, aber ganz schön langweilig. Ich finde, die namenlose Hüterin der Trauben sieht etwas mitgenommen aus. Da müsste mal wieder ein bisschen durchgekärchert werden, Moose und Flechten haben ja nun wirklich nichts auf Kunstwerken zu suchen. Die güldene Figur daneben, die auf einer hohen Säule und zusätzlich auf einer Anhöhe steht, hat es deutlich besser. Sie balanciert in luftiger Höhe, weit über den schwärzenden Autoabgasen. Gold nimmt den Schmutz nicht so schnell an, wie grob verwitterter, poröser Stein. Achte als Künstler auf das Material, mit dem du arbeitest, fällt mir dazu ein, sonst bröselt dir alles über kurz oder lang weg. 😅

Vielleicht ist die steinerne Lady so ungepflegt, weil die Pfalz seit 1945 gar kein Landesteil Bayerns mehr ist, sondern zu Rheinland-Pfalz gehört. Glücklich waren die Pfälzer im langen Lauf ihrer Geschichte wohl nicht, schon gar nicht unter Bayerischer Herrschaft. Wie ich gelernt habe, gibt es eine rechtsrheinische und eine linksrheinische Pfalz, die aber auch nicht mehr in einem Bundesland liegen. Ziemlich kompliziert. Die historischen und politischen Irrungen und Wirrungen der letzten zweihundert Jahre machen die Sache für Laien nicht besonders überschaubar, und wen interessieren Territorialkonflikte von vorgestern im Internetzeitalter? Niemanden. Lieber Pfälzer Weinstuben für alle. 😅

Kein Wunder, dass die Repräsentantin eines Stamms, den es in dieser Form nicht mehr gibt, so alt und so vernachlässigt aussieht. Vielleicht hätte sie frühzeitig auswandern sollen, so wie andere, später berühmt oder berüchtigt gewordene Pfälzer: Der Ketchup-Produzent Heinz zum Beispiel, oder die Vorfahren eines gewissen Donald Trump. Die Nachkomminnen einer ausgewanderten Traubenlady wären heute vielleicht Influencende jenseits des großen Teichs, und könnten bei einer Charity-Veranstaltung Spenden für die Schönheits-OP ihrer steinernen Vorfahrin sammeln. Gut aussehen ist wichtiger denn je. Weil das aber alles nicht so gekommen ist, würde ich vorschlagen wir erklären diese Bauplastik zur Schönen Münchnerin, dann wird sie vielleicht wieder aufgehübscht. 😎

Natürlich hat sie es schwer angesichts ihrer goldenen Nachbarin. Der 'Friedensengel' ist ein sechs Meter hoher blattvergoldeter Bronzeguss und wiegt ca. 3.500 Kilo*. Das ist sportlich, wenn man in dreißig Metern Höhe auf einer Säule stehen muss. Gut, dass die Figur eine Flügelspannweite von fünf Metern hat. 1983 wäre sie tatsächlich fast abgestürzt, beim Abbau beschädigt, und hat bei dieser Gelegenheit gleich etwas steilere Flügel bekommen. Das ist besser für die Statik. Übrigens wird diese Figur nur im Volksmund Friedensengel genannt. In Wahrheit ist sie kein Engel im christlichen Sinn, sondern stellt die Siegesgöttin Nike dar. Für Gscheidhaferl: Korrekt wäre also Friedensdenkmal. Gereinigt wurde die vergoldete Figur zuletzt zu ihrem hundertsten Geburtstag, und der war im Jahr 1999. Saubere Sache seit fünfundzwanzig Jahren, und das Wort "kärchern" gibt's vermutlich nur in Deutschland. 😁

*Zum Schluß noch eine Wissensfrage an alle Gscheidhaferl: Kann man das Münchner Friedensdenkmal in einer V280 Valor, diesem genialen Kipprotor-Wandelflugzeug, transportieren? Hinweise auf die Antwort finden Sie im Beitrag Eierpanik. 😊

Siehe auch: Wissenslücken, Kunst am Bau, Eindeutig Neo-Rokoko, Gscheidhaferl-Gesetz §1

Geschichten aus anderen Stadtvierteln: Messe Stadt, Nochmal nachgeMESSEn, Das Ende einer Ära, Pyramedial, Raumgreifend, Kleinod, #München

Weiterführende Links

Keine Kommentare: