Dienstag, 6. Juni 2023

Messe Stadt

#Pavillon   #Messestadt-West   #München

Gelegentlich habe ich in anderen Stadtvierteln Münchens zu tun, und nutze diese Gelegenheiten nur zu gerne, um mich unterwegs ein bisschen umzuschauen. Dazu bringe ich immer etwas mehr Zeit mit, weil man ja auch nie weiß, ob einen die öffentlichen Verkehrsmittel pünktlich zum Termin transportieren. 

Diesmal bin ich in der Messestadt Riem gelandet, die auf dem Gelände des 1992 stillgelegten Flughafens München-Riem errichtet wurde. Ähnlich wie im Riemer Park, der ebenfalls auf diesem Areal "mit großem Aufwand angelegt wurde", ist es in der Messestadt vor allem rechteckig und wenig muggelig. Stellenweise hat man den Eindruck, als hätten sich die Planer einfach an den schnurgeraden Start- und Landebahnen orientiert. Ist ja auch praktisch. Auch wenn ich schon wieder damit anfange: Ich habe mich dort gefühlt wie ein Alien, der auf einem fremden Planeten abgestürzt ist. Übersetzt in Esoterik-Sprech: Keine gute Energie.

"Nach Freiham ist die Messestadt Riem der zweitjüngste Stadtteil Münchens, und beherbergt neben einem Wohnviertel für 16.000 Menschen zahlreiche Bürogebäude sowie die Neue Messe München und das Einkaufszentrum Riem Arcaden." (Wikipedia 2023) 



2013 fragte die Abendzeitung München, ob in der Messestadt eine "Ghettoisierung" drohe, fasste die damaligen Probleme in einem >Artikel zusammen, und forderte von der Politik Nachbesserungen. Da waren die Grünen ganz beleidigt. Aktuell im Juni 2023 kommt die TZ München zur Erkenntnis, dass ausgerechnet in diesen beiden jüngsten Stadtvierteln die Kaufkraft der Menschen (immer noch) am geringsten sei. München gilt als schön und reich, aber man muss schon im richtigen Stadtviertel wohnen. Was schön ist, liegt ja bekanntlich im Auge des Betrachtenden, und moderne Architektur gibt's in der Messestadt jede Menge. 

Was die seltsame weiße Brückenkonstruktion auf dünnen Stelzen darstellen soll, konnte ich noch nicht herausfinden. Das ist vermutlich Kunst am Bau, und erweckt bei den untendurch Laufenden auf jeden Fall den Eindruck, dass hier etwas Großes steht, oder zumindest angedacht war. Da will man sich doch gleich ganz andächtig auf die harten, bunten Monsterliegestühle setzen. 

Sind die Messebesucher mal weg oder nicht da, weil grad keine Messe oder Veranstaltung ist, steht man verloren zwischen supermodernen Bauten, und fragt sich, ob die Menschheit schon ausgestorben ist. Nein, die schlafen bis nachmittags um drei. Morgens trifft man nur eilige Büromenschen, die von der U-Bahn oder vom Bus direkt in eins der Gebäude rennen. Die Shopping-Mall macht erst um zehn Uhr auf, nachmittags wird es dort vermutlich lebendiger.

Die denkmalgeschützte Wappenhalle ist das ehemalige Terminalgebäude, und neben dem alten roten Tower (Bild unten) das einzige bauliche Überbleibsel des alten Flughafens München-Riem. Das waren noch minimalistische Dimensionen in der Luftfahrt. 😅 Baumfreunde werden erkennen, dass es es der Begrünung entlang der Brutalistenpiste nicht sonderlich gut geht. 
 
Am Wasser kann's eigentlich nicht liegen, denn davon gäbe es genug: Der (rechteckige) Messesee, 390 m lang (Nord-Süd) und 46 bis 94 m breit (Ost-West), hat eine Wasserfläche von 2,6 ha. Nicht zu verwechseln mit dem 10 ha großen Riemer See im Riemer Park, der 70,5 Millionen Euro gekostet hat, und 2005 mit dem deutschen Landschaftsarchitekturpreis ausgezeichnet wurde. Da will man nicht tot über den Zaun hängen, aber das hier ist ja auch ein Meinungsblog.


Der anfangs gezeigte bunte, von einer Künstlerin gestaltete Pavillon könnte eigentlich lauschig sein, steht aber einsam und verloren wie ein Fremdkörper inmitten einer verwilderten (rechteckigen) Wiese. Irgendwie hat man vergessen, einen Weg zu diesem Pavillon anzulegen. Die Hinterlassenschaften signalisieren, dass er zu späteren Tageszeiten einsamen Trinkern als Zufluchtsort dient, und wer grad mal kacken muss, findet hier keinen "teilweise aus recycelten Fischernetzen bestehenden" stillen Ort.
Ich glaube das mit den "Nachbesserungen" ist auch zehn Jahre nach dem AZ-Artikel noch aktuell. Das Stadtviertel Neuperlach hatte in den ersten Jahrzehnten auch einen sehr schlechten Ruf, hat sich aber nach fünfzig Jahren gemausert. Das ist heute schon fast Altbau. 😅 


 

Während wir gerade so viele andere schmucke Neubauten dazu bekommen, dürfte die Messestadt Riem demnächst auch schon zu den "älteren Stadtvierteln" zählen. Es besteht also durchaus Hoffnung, dass die Zeit diese Wunde heilt. 😊

Siehe auch: Nochmal nachgeMESSEn, Brutalistenpisten, Spargelzeit?, Das Ende einer Ära, Standhaft, Windows 22-01-04, Frauenplatz, Form follows function?, Spitze!, Magritte wEISSblau, Mauerwerk, Kunst am Bau, Baustellenkunst à la francaise, Tanz mit der Vergänglichkeit, Uhrwerk blau, Schick, Ofenfrisch, Woraus bestehen Sie?, Vergangenheit, Kleinod, Baufortschritt, Material- und Stilmix

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2 Kommentare:

oli Schlecht hat gesagt…

Kaum zu glauben, was es da direkt in meiner Nachbarschaft so zu entdecken gibt. :o

betrachtenswert hat gesagt…

Ja, lieber Oli, ich hab tatsächlich an Dich gedacht - auch heute früh, als ich die Schlagzeile las, dass Väterchen Timofeis Kirche am Wochenende abgebrannt ist. Wenn ich mich richtig erinnere, hattest Du die mal fotografiert...
Man muss nicht in die Ferne schweifen, Motive gibt's an jeder Ecke. :-)